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07.07.2022
um 19:36 Uhr

Goodbye Big Dog, Kommentar zu Boris Johnson von Andreas Hippin
Frankfurt (ots) - Man weiß nicht, wer Boris Johnson klargemacht hat, dass es
keinen Sinn mehr hat, sich noch länger an die Macht zu klammern. Doch er ist
gehört worden: Der britische Premierminister hat kurz vor der parlamentarischen
Sommerpause seinen Rücktritt mitgeteilt. Am Vorabend hatte er noch angekündigt
weiterzumachen. Zugleich erklärte er jedoch, dass er bis zur Wahl eines neuen
Parteichefs im Herbst kommissarisch im Amt bleiben werde, was bei seinen
innerparteilichen Gegnern Empörung auslöste.

Gut möglich, dass sie ihn noch schneller aus 10 Downing Street befördern.
Dagegen spricht, dass es wohl eine Einigung mit Graham Brady, dem Vorsitzenden
des 1922-Komitee, das für die Wahl des Nachfolgers zuständig ist, gegeben hat.
Er hatte schon Theresa May vermittelt, dass ihre Zeit an der Parteispitze
abgelaufen war. Er dürfte Johnson klargemacht haben, dass es eine Mehrheit für
eine erneute Vertrauensabstimmung gegeben hätte, die sehr zu seinen Ungunsten
ausgefallen wäre.

Johnson mag den Brexit über die Bühne gebracht und das Land einigermaßen gut
durch die Pandemie gebracht haben. Doch in den vergangenen Monaten folgte
Skandal auf Skandal, was die Abgeordneten seiner Partei um ihre Wiederwahl
bangen ließ. Sein Team versuchte mit PR-Maßnahmen wie "Operation Save Big Dog"
dagegenzuhalten. Dabei zeigte sich, dass Johnson (Big Dog) konservative Inhalte
nur noch aus taktischen Gründen auf den Tisch bringt. Wenn es um den
Selbsterhalt ging, wurden kläffenden Hinterbänklern ein paar Brocken
hingeworfen, damit sie wieder eine Weile stillhalten. Doch ihre Angst vor dem
Mandatsverlust ließ sich auf diese Weise nicht dauerhaft bändigen. Goodbye Big
Dog.

Johnson war schlau genug, sich eine kleine Dolchstoßlegende zurechtzulegen. Er
trete zurück, weil die Tory-Fraktion im Unterhaus der Meinung gewesen sei, dass
die Partei einen neuen Führer brauche, sagte er vor Claqueuren und Kameras. Das
ermöglicht ihm einen einigermaßen würdevollen Abgang, ohne Fehler zugeben zu
müssen.

Die Opposition wird sich über ihren vermeintlichen Sieg nicht lange freuen
können. Denn mit Johnson geht ihnen ihr wichtigstes Thema verloren. Nun wären
Ideen gefragt, zumal man es mit einer Regierungspartei zu tun hat, die zwar
durch ihren Chef gehandicapt war, inhaltlich aber eine ganze Menge zu bieten
hat. Die Kandidaten für Johnsons Nachfolge haben jedenfalls allesamt mehr
Charisma als Labour-Chef Keir Starmer.

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