dpa-AFX Compact

OTS: Börsen-Zeitung / Politische Übungen, Kommentar zum Bankenstresstest von ...

28.09.2022
um 20:07 Uhr

Politische Übungen, Kommentar zum Bankenstresstest von Jan Schrader
Frankfurt (ots) - "Solide kapitalisiert", "hohe Resilienz", "Risikotragfähigkeit
recht gut" - wer Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling zuhört, muss zum
Eindruck gelangen, dass die deutsche Aufsicht zufrieden mit der
Kapitalausstattung der Banken ist. Auch BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler
hält eine Krise für beherrschbar. Optimistische Töne zu den Folgen einer
Zinswende kommen hinzu. So viel Lob hat die Kreditwirtschaft wohl nicht
erwartet. Damit schürt die Aufsicht Erwartungen.

Natürlich sind die Chefaufseher der Banken klug genug, um ihr positives Fazit zu
relativieren. Der übliche Verweis auf die Unsicherheit der Szenarien, auf einige
Problemfälle in der Bankenzunft und auf Mängel hie und da fehlt freilich nicht.
"Professionelle Sorgenfalten" nennt Wuermeling die unverzichtbare Skepsis der
Aufseher, und Röseler mischt mit seiner Warnung vor einem womöglich "perfekten
Sturm" für das Wirtschaftsgeschehen auch noch ein paar dramatische Töne unter.
Eine Bankenkrise oder Kreditklemme erwartet die Aufsicht aber nicht -
beziehungsweise, Vorsicht muss sein, "aktuell" nicht. Damit ist das Resümee
trotz der eingeschobenen Molltöne positiv.

Es wird nicht lange dauern, bis der Ruf nach einer Entlastung für die Institute
lauter wird. Die zusätzlichen Kapitalaufschläge, die vor einigen Monaten wegen
der bereits damals wackeligen Konjunktur und der stark gestiegenen
Immobilienpreise eingeführt worden waren, lassen sich mit einem positiven
Resümee zur Kapitalausstattung scheinbar nicht mehr so geschmeidig begründen wie
zuvor - obwohl doch Krieg, Inflation, Energiekrise und Rezession genug Stoff für
Warnungen böten. Die Deutsche Kreditwirtschaft als Sprachrohr der Branche
forderte nach Veröffentlichung der Ergebnisse, dass Aufseher die individuellen
Kapitalquoten von Banken "mit Bedacht" wählen sollen. Absehbar ist auch eine
Forderung nach einer Entlastung im Meldewesen, denn allein der Stresstest
brachte eine Excel-Datei mit hunderten Datenfeldern mit sich. Die Aufsicht, so
machte BaFin-Mann Röseler deutlich, wünscht sich aber eher mehr Stresstests, um
mit den Annahmen nicht so sehr hinterher zu sein wie in der aktuellen Runde. Die
laufende Reform des Meldewesens soll es möglich machen. Eine gute
Kapitalausstattung ist eine Steilvorlage für Kritiker, das Vorhaben in Frage zu
stellen.

Der aktuelle Stresstest zeigt einmal mehr, dass die Übungen einen politischen
Charakter haben. Fallen sie schlecht aus, sorgt die Aufsicht für Unruhe und baut
Druck auf. Sind die Ergebnisse solide, wird der Ruf nach Entlastung laut. An der
Grundüberlegung ändert sich aber unabhängig vom Stresstest nichts:
Kapitalpolster schützen vor Bankpleiten, regelmäßige Stresstests geben Aufsehern
ein Gespür für Risiken.

Die Aussage zur Lage der gesamten Kreditwirtschaft ist hingegen begrenzt. Das
Ergebnis hängt auch von Modellannahmen ab - das macht die Testergebnisse
unvermeidbar willkürlich. Risiken für eine gesamte Branche sind im komplexen
Finanzwesen schwer messbar, verlässliche Aussagen erlaubt die detailreiche
Abfrage eher für einzelne Institute oder für Teilsegmente. Der Stresstest ist
eine Rechenübung, die Aufsehern eine Orientierung gibt und die Sensibilität der
beaufsichtigen Häuser schärft. Mehr nicht.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069-2732-0
www.boersen-zeitung.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/30377/5332395
OTS: Börsen-Zeitung