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GESAMT-ROUNDUP 2: Russland annektiert Gebiete in Ostukraine - Neue US-Sanktionen

30.09.2022
um 17:55 Uhr

(neu: US-Sanktionen, Ukraine-Antrag an Nato, Sprengkraft Gasleitungen)

MOSKAU/KIEW (dpa-AFX) - Gut sieben Monate nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine hat Russland vier Gebiete im Osten des Landes annektiert. Kremlchef Wladimir Putin unterschrieb am Freitag die Abkommen, mit denen die Einverleibung der besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson besiegelt wurde. International werden die Annexionen nicht anerkannt. Die EU und auch Deutschland verurteilten den Schritt scharf. Die USA verhängten neue Sanktionen gegen Moskau. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte als Reaktion auf die Annexionen an, einen beschleunigten Beitritt zur Nato zu beantragen.

Moskau hatte in den vier Regionen zuvor Scheinreferenden organisiert, in denen die Bevölkerung angeblich für einen Beitritt zu Russland gestimmt hat. Auch diese sogenannten Referenden wurden weltweit nicht anerkannt und als undemokratisch sowie völkerrechtswidrig verurteilt. Dennoch sagte Putin nun, die Annexion sei "der Wille von Millionen Menschen", die in "ihre historische Heimat zurückzukehren" wollten.

Putin forderte die Ukraine zu Verhandlungen auf. Kiew müsse zudem die Angriffe gegen die russischen Besatzer im Osten stoppen - dort hatte die Ukraine Gegenoffensiven gestartet und Gebiete zurückerobert. Russland wolle Militärschläge in den Regionen von nun als Angriffe gegen das eigene Staatsgebiet werten. Putin wiederholte die Drohung, "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln" zu reagieren. Dies verstärkt Ängste vor einem möglichen Atomschlag Moskaus.

Unterdessen wurde in der südukrainischen Stadt Saporischschja ein ziviler Autokonvoi mit Raketen beschossen. 23 Menschen starben nach übereinstimmenden ukrainischen und russischen Angaben. Beide Seiten bezichtigten sich gegenseitig, den Konvoi angegriffen zu haben. Selenskyj nannte die Täter "absolute Terroristen", für die "in der zivilisierten Welt kein Platz ist".

Wegen der weiteren Eskalation der Lage schloss Finnland seine Grenze zu Russland für russische Touristen. Norwegen verschärfte seine Kontrollen an der gemeinsamen Grenze mit Russland.

Die EU-Staaten einigten sich auf europäische Notmaßnahmen zur Bekämpfung der hohen Energiepreise. Energieunternehmen müssen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abführen. Dadurch sollen Verbraucher entlastet werden.

Putin unterschreibt Dokumente zur Annexion ukrainischer Gebiete

Putin unterschrieb die Annexion der vier mehrheitlich von eigenen Truppen besetzten Gebiete in der Ukraine. Die Menschen in Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja seien ab sofort russische Staatsbürger - "und das für immer".

Sein Land sei bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, fügte er an. Über die nun einverleibten Gebiete werde aber nicht mit der Ukraine diskutiert. Selenskyj sagte dazu, er lehne eine Wiederaufnahme von Gesprächen ab, solange Putin Kremlchef ist.

EU und Steinmeier: Keine Anerkennung illegaler Annexionen

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten wiesen die russische Annexion als unrechtmäßig zurück. In einem Statement heißt es: "Diese Entscheidungen sind null und nichtig und können keinerlei Rechtswirkung entfalten." Russland setze die globale Sicherheit aufs Spiel. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Scheinreferenden und Annexionen.

USA verkünden weitere Sanktionen gegen Russland

Die USA verhängten neue Sanktionen gegen Russland. Die Strafmaßnahmen richten sich etwa gegen weitere russische Regierungsvertreter, deren Familienmitglieder sowie Angehörige des Militärs. Die Liste umfasst Hunderte Personen - und auch Firmen. Präsident Joe Biden sagte: "Die Vereinigten Staaten verurteilen den heutigen betrügerischen Versuch Russlands, souveränes ukrainisches Gebiet zu annektieren."

Ukraine beantragt beschleunigten Nato-Beitritt

Zum Antrag auf einen beschleunigten Nato-Beitritt sagte Selenskyj: "Faktisch haben wir unseren Weg in die Nato schon beschritten. Heute stellt die Ukraine den Antrag, um es auch de-jure zu tun."

23 Tote bei Beschuss von zivilem Autokonvoi in Saporischschja

Zum Raketenangriff auf den zivilen Autokonvoi in Saporischschja erklärte Kiew, die Autos seien von den Russen beschossen worden, als Menschen in die von russischen Truppen besetzten Gebiete fuhren, um dort Hilfe zu bringen und Familienangehörige abzuholen. Die Besatzer behaupteten dagegen, die Ukrainer hätten die Raketen abgefeuert und die Menschen getötet, weil diese in das von Russland kontrollierte Territorium wollten. Derartige Angaben sind unabhängig nicht zu überprüfen.

Finnlands Grenze für russische Touristen dicht - Norwegen alarmiert

Finnland schloss in der Nacht zum Freitag seine Grenze für russische Touristen. Wie Aufnahmen des Senders Yle zeigten, schafften es am Grenzübergang Vaalimaa um 0.02 Uhr noch sieben Autos sowie ein Mann auf einem Fahrrad über die Grenze. Dann fiel der Schlagbaum herunter. Für Finnland, das eine komplexe Geschichte mit Russland verbindet, war das ein historischer Moment. Norwegen kündigte an, seine Grenze zu Russland stärker zu überwachen.

Ostsee-Explosionen entsprachen "Sprengladung von mehreren 100 Kilo"

Die Lecks an den Nord-Stream-Gaspipelines wurde nach Einschätzung von dänischen und schwedischen Experten von Explosionen unter Wasser herbeigeführt mit "vermutlich einer Sprengladung von mehreren hundert Kilogramm". Das berichteten die zwei skandinavischen Länder dem US-Sicherheitsrat vor der Dringlichkeitsdebatte am Freitagabend.

EU einigt sich auf Gewinnabschöpfung gegen hohe Energiepreise

Die EU-Staaten haben sich angesichts hoher Energiepreise auf europäische Notmaßnahmen verständigt, um Strom zu sparen und Entlastungen zu finanzieren. Die Fachminister einigten sich darauf, dass Energieunternehmen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abgeben müssen, wie die tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. Mit diesem Geld sollen Verbraucher entlastet werden. Die Einigung muss noch formell bestätigt werden./msw/DP/nas