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27.01.2023
um 19:45 Uhr

Nicht nur meckern, machen, Kommentar zur Fachkräftelücke von Anna
Steiner
Frankfurt (ots) - Der Fachkräftemangel ist in Deutschland längst eines der
drängendsten Probleme. Zigtausende Software-Experten fehlen, Zehntausende
Erzieher. Aber auch Metallarbeiter und Helfer in allen möglichen Berufen sind
knapp. Das Gejammer der Unternehmen ist riesig: Wir finden keine Mitarbeiter.
Die Forderung an die Politik ist laut: Fördert die Ausbildung, stärkt die
Zuwanderung! Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat das Problem auf dem
Schirm: Die Ausbildungsgarantie und die Reform des
Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sind nur zwei Beispiele dafür. Und das ist
richtig so.

Dass nach wie vor in vielen Berufen die Bedingungen so unterirdisch sind, dass
man keinem Schulabgänger übelnehmen kann, wenn er sich für einen anderen Weg
entscheidet, das ist nicht richtig. Dass fast jeder zweite Job nicht einmal
wenigstens nach einem Tarifvertrag bezahlt wird, ist nicht richtig. Und dass
Auszubildende und Berufseinsteiger an Wochenenden jobben gehen müssen, um
überhaupt die Miete bezahlen zu können, erst recht nicht. Das aber ist nicht
Aufgabe der Politik, sondern der Unternehmen.

Kreative Lösungen müssen her - und kostenlos werden diese nicht sein. Ein
Jobticket in Zeiten von 9-Euro- und 49-Euro-Ticket wird niemanden locken. Auch
ein Dienstwagen ist nicht mehr so gefragt wie noch vor einigen Jahren. Mit
Urlaubstagen lässt sich vielleicht schon etwas erreichen. Die Arbeitszeiten
müssen stimmen und wenn sie es - betriebsbedingt - nicht können, dann müssen sie
entlohnt werden. Der Altenpfleger, der Nachtschicht im Seniorenheim schiebt,
muss ebenso wertgeschätzt werden wie der Industriemechaniker, der am Wochenende
dafür sorgt, dass eine Produktion durchlaufen kann. Das wohl Wichtigste beim
Kampf um junge Talente - gerade angesichts der hohen Lebenshaltungskosten - sind
nun einmal anständige Löhne.

Wer heute noch argumentiert, dass ein Manager ja auch eine große Verantwortung
trage für die Mitarbeiter, der hat noch nicht verstanden, wo Millionen Väter und
Mütter morgens ihre Kinder hinbringen, damit sie selbst arbeiten kommen können.
Wird die Kinderbetreuung ausgebaut und werden die Erzieher anständig bezahlt -
denn nur dann werden sich mehr Menschen für diesen Job entscheiden -, kann
endlich eines der größten schlummernden Potenziale in Deutschland gehoben
werden: die Beschäftigung von Müttern und Vätern. Wer an die Marktwirtschaft
glaubt, der weiß, dass der Markt vieles regelt. Vielleicht kann er nicht die
gesamte Lücke schließen, aber wer die besten Löhne zahlt und die besten
Bedingungen bietet, wird weniger Probleme bei der Nachwuchssuche haben.

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rn-machen-c7e51e36-9e48-11ed-bf18-c2125fffa649

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