Reuters

Ölpreis-Verfall alarmiert EZB-Chef Draghi

21.01.2016
um 17:06 Uhr

- von Frank Siebelt und Francesco Canepa

Frankfurt (Reuters) - EZB-Präsident Mario Draghi hat die Tür für eine weitere Lockerung der Geldpolitik im März weit aufgestoßen.

Die Währungshüter machen sich wegen des rasanten Ölpreis-Verfalls, der Wirtschaftsschwäche vieler Schwellenländer und der Schwankungen an den Finanzmärkten Sorgen. "Mit dem Start des neuen Jahres haben sich die Risiken noch einmal verstärkt", sagte Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Der Ölpreissturz sei kein kurzzeitiges Phänomen mehr, über das die Euro-Wächter hinwegsehen könnten. Die Gefahr bestehe, dass dadurch eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Gang kommen könne. "Bislang haben wir das nicht. Aber wir müssen sehr wachsam sein."

In Reaktion auf die Äußerungen des EZB-Chefs gab der Euro zeitweise um mehr als einen US-Cent auf unter 1,08 Dollar nach. Der deutsche Börsen-Leitindex Dax zog um rund zwei Prozent an. In den USA startete die Wall Street mit Gewinnen in den Handel.

Volkswirte rechnen nun damit, dass die EZB ihren ohnehin schon lockeren Kurs noch einmal verstärkt. "Die EZB wird im März sehr wahrscheinlich nachlegen. Meiner Ansicht nach wird sie den Einlagenzins senken und die Anleihenkäufe ausweiten, nachdem das im Dezember nicht geschehen ist", sagte Holger Sandte, Europa-Chefvolkswirt der Bank Nordea.

Die EZB, die den Leitzins am Donnerstag auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent beließ, pumpt über die Anleihenkäufe jeden Monat Milliarden in das Finanzsystem. Das mittlerweile auf 1,5 Billionen Euro angelegte Programm, das neben Staatsanleihen auch Pfandbriefe und Hypothekenpapiere umfasst, soll bis mindestens Ende März 2017 laufen. Erst im Dezember wurde es um sechs Monate verlängert, der Strafzins für Geschäftsbanken zudem verschärft, wenn diese Geld bei der EZB parken.

KEIN LIMIT

Es sei notwendig, die bisherigen Schritte auf der nächsten Zinssitzung zu überprüfen, so Draghi. "Es gibt keine Grenzen, wie weit wir bereit sind, unsere geldpolitischen Instrumente innerhalb unseres Mandats einzusetzen, um unser Inflationsziel zu erreichen." Die Notenbank strebt als optimalen Wert für die Wirtschaftsentwicklung knapp zwei Prozent Inflation an. Dies liegt allerdings in weiter Ferne - so waren die Preise in der Euro-Zone im Dezember nur um 0,2 Prozent angezogen.

Angesichts des Ölpreis-Verfalls haben sich seit Jahresbeginn die Inflationsaussichten kräftig eingetrübt. Öl hat sich seitdem um rund 25 Prozent verbilligt. Die Nordseesorte Brent sackte unter 28 Dollar pro Fass ab und damit auf den tiefsten Stand seit 2003. Die EZB war bei ihren jüngsten Inflations- und Konjunkturprognosen im Dezember für dieses Jahr von einem Preis von 52,20 Dollar ausgegangen. Neue Schätzungen der Notenbank-Experten werden zur Zinssitzung im März erwartet. An den Kapitalmärkten wird inzwischen fest damit gerechnet, dass die Prognosen dann schwächer ausfallen werden, was den Druck auf Draghi erhöht.

Die Internationale Energie-Agentur warnt davor, dass die Ölmärkte in diesem Jahr "im Überangebot ertrinken" könnten. BP-Chef Bob Dudley sieht starke Ähnlichkeiten mit der Öl-Krise des Jahres 1986. Damals hatten Saudi-Arabien und andere Opec-Länder im Kampf um Marktanteile ihre Fördermengen kräftig gesteigert - der Preis für das Schwarze Gold war binnen weniger Monate auf knapp über zehn Dollar pro Fass abgestürzt. Auch jetzt lehnt die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) Produktionskürzungen ab.

In Deutschland wird die lockere Geldpolitik der EZB unterdessen weiter sehr kritisch gesehen: "Die EZB folgt einem falschen Credo, nämlich dass die niedrigen Rohstoffpreise für die Weltwirtschaft schlecht sind", sagte etwa Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank. Bislang habe gegolten: Niedrige Energiepreise wirkten wie ein Wachstumsprogramm. "Denn die Unternehmen können günstiger produzieren und die Verbraucher können das dank gesunkener Benzin- und Heizkosten gesparte Geld in den Konsum stecken", so Lang. Andreas Bley vom Bankenverband BVR sieht nun die Politik am Zug: "Die großen politischen Herausforderungen liegen in den Händen der Staats- und Regierungschefs." Europa müsse fit für die Digitalisierung gemacht werden und brauche eine Lösung der Flüchtlingskrise.

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