Reuters

EuGH lässt Mitgliedsländern Spielraum bei Bankenrettungen

19.07.2016
um 15:41 Uhr

Brüssel (Reuters) - Das höchste Gericht der Europäischen Union lässt den Mitgliedsländern Spielräume bei der Rettung maroder Banken.

Grundsätzlich könnten Anteilseigner und nachrangige Gläubiger zur Sanierung von Geldhäusern herangezogen werden, urteilte der Gerichtshof der EU (EuGH) am Dienstag. Allerdings sei es den EU-Staaten möglich, die Inhaber nachrangiger Schuldtitel von der Rettung auszunehmen und den Banken mit Steuergeldern unter die Arme zu greifen. Dann bestehe aber das Risiko, dass solche Beihilfen von der EU-Kommission zurückgewiesen würden.

Das Urteil könnte Italien in den Verhandlungen mit der Brüsseler Behörde helfen, da Ministerpräsident Matteo Renzi den Instituten seines Landes mit staatlichen Garantien zur Seite springen will. Dagegen sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, dass der Richterspruch aus Luxemburg keinen Einfluss auf die Entscheidung über Italiens Banken habe. Die Aktien italienischer Geldhäuser gerieten nach dem Urteil unter Druck. Im vorliegenden Fall urteilten die Luxemburger Richter über die Sanierung slowenischer Geldhäuser 2013. (Az: C-526/14)

Die Regierung Sloweniens hatte damals mit mehr als drei Milliarden Euro Geldhäuser vor dem Kollaps bewahrt, die einen Berg fauler Kredite angehäuft hatten. Dabei wurden das Eigenkapital von Aktionären, Hybridkapital und nachrangige Schuldtitel herangezogen. Letztere werden bei einer Insolvenz nach den Inhabern gewöhnlicher Anleihen, aber vor den Anteilseignern bedient. Ein Verband von Kleinaktionären hat 2014 wegen der Maßnahmen gegen die Zentralbank Sloweniens mehrere Klagen eingereicht. Im Zusammenhang mit der damaligen Bankensanierung ermitteln die slowenischen Behörden gegen EZB-Ratsmitglied Bostjan Jazbec. EZB-Chef Mario Draghi protestierte gegen eine Razzia bei der Notenbank des Landes.

ITALIENISCHE BANKAKTIEN GERATEN NACH URTEIL UNTER DRUCK

Laut EuGH konnte die EU-Kommission damals Kriterien zur Gläubigerbeteiligung festlegen, an denen sie sich dann selbst zu orientieren habe. Zugleich müsse sie grundsätzlich Staatshilfen für eine Bank prüfen, wenn ein Mitgliedsland diesen Weg bevorzuge. Die EU-Staaten hätten die Möglichkeit, auch solche Beihilfen in Brüssel anzumelden, die nicht den vorgesehenen Kriterien entsprächen. Die Bankenmitteilung aus Brüssel von 2013 sei damit für die EU-Staaten nicht automatisch bindend. So müsse ein Staat Krisenbanken nicht dazu verpflichten, nachrangige Titel in Eigenkapital umzuwandeln oder abzuschreiben. Bei solchen Ausnahmen sei die Staatshilfe indes dem Risiko einer Ablehnung durch die EU-Kommission ausgesetzt.

Generell könnten sich die nachrangigen Gläubiger nicht auf den Vertrauensschutz berufen, weil sie in der ersten Phase der Finanzkrise seit 2008 nicht für eine Bankenrettung geradestehen mussten, erklärten die EuGH-Richter. Auch liege für Anteilseigner kein Eingriff in ihr Eigentumsrecht vor, da sie nur bis zur Höhe des Grundkapitals einer Bank hafteten. Der Staat könne Änderungen am Grundkapital einer Bank zudem ohne den sonst notwendigen Beschluss der Hauptversammlung vornehmen. "Diese Maßnahmen dürfen nur im Fall beträchtlicher Störungen im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats sowie mit dem Ziel der Vermeidung eines systemischen Risikos und der Sicherstellung der Stabilität des Finanzsystems erlassen werden", erklärt der EuGH.

Seit Anfang des Jahres gilt in der EU eine Richtlinie zur Rettung maroder Banken (BRRD), die eine Beteiligung von Gläubigern und Anteilseignern in einer sogenannten Haftungskaskade vorsieht (Bail-In). Allerdings sind bei der Gefährdung des Bankensystems Ausnahmen möglich. Die italienische Regierung will den Geldhäusern des Landes, die unter faulen Krediten im Umfang von rund 360 Milliarden Euro ächzen, mit Garantien helfen und so eine neue Finanzkrise abwenden. Kritiker sehen darin ein Aushebeln der BRRD-Regeln.

Der italienische Bankenindex rutschte nach dem EuGH-Urteil um bis zu 4,5 Prozent ab. Die Papiere der Krisenbank Banca Monte dei Paschi di Siena (BMPS) brachen zeitweise sogar um gut sieben Prozent ein. Die HVB-Mutter UniCredit und Intesa Sanpaolo gehörten mit Kursverlusten von jeweils knapp drei Prozent zu den größten Verlierern im EuroStoxx50. Das Urteil scheine darauf hinzudeuten, dass die italienische Regierung einen Rückschlag dabei erlitten hätten, Anteilseigner vor einer Bankenrettung abzuschirmen, sagte Aktienhändler Andrew Edwards von ETX Capital. Die gesamten Folgen des Urteils seien aber noch unklar.

INTESA SANPAOLO

WKN 850605 ISIN IT0000072618