Reuters

Banken zeigen sich auch unter Stress robust genug

31.07.2016
um 10:26 Uhr

- von Andreas Kröner und Alexander Hübner

Frankfurt (Reuters) - Branchenaufseher und Experten halten die deutschen Banken trotz durchwachsener Ergebnisse im europaweiten Stresstest auch in einer schweren Wirtschaftskrise für widerstandsfähig genug.

"Der Stresstest zeigt, dass die deutschen Banken gerüstet sind, diesen ausgeprägten Schocks zu widerstehen", sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Vier der neun Kreditinstitute, die sich der Belastungsprobe unterzogen, kämen nach einer schweren Rezession auf ein unterdurchschnittliches Kapitalpolster. Die beiden größten deutschen Banken, Deutsche Bank und Commerzbank, landeten unter den 51 auf Herz und Nieren geprüften europäischen Geldhäusern sogar unter den letzten zehn.

Mehr Kapital brauchten sie aber deswegen nicht, erklärte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die sich die Bankenaufsicht mit der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank (EZB) teilt. "Aus dem Stresstestergebnis resultiert nicht automatisch ein Kapitalbedarf", sagte ein BaFin-Sprecher am Samstag. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Extrem-Szenarien wie diese tatsächlich einträten, sei gering. Vielmehr soll der Stresstest zusätzliche Erkenntnisse für die Aufseher liefern, wenn sie die individuellen Kapitalanforderungen für die Banken festlegen. Die Bankenverbände verwiesen darauf, dass die Banken ihre Risikopuffer schon vorher kräftig aufgestockt hätten. "Die harte Kernkapitalquote reduzierte sich naturgemäß als Reaktion auf den Stress, sie blieb jedoch bei allen beteiligten Banken verlässlich."

Unter den deutschen Banken schnitt die Commerzbank am schlechtesten ab. Ihre harte Kernkapitalquote lag im Stress-Szenario mit 7,4 Prozent deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 9,2 Prozent. Damit kam sie auf Platz 44, zwei Plätze hinter der Deutschen Bank, mit 7,8 Prozent harter Kernkapitalquote. RBC-Analystin Fiona Swaffield schrieb, sie hätte für die Deutsche Bank ein schlechteres Ergebnis befürchtet. "Wir erwarten ein bisschen Erleichterung." Auch die BayernLB (8,3) und die NordLB (8,6) landeten im hinteren Feld. Die Förderbank NRW.Bank - ein Exot im Kreis der geprüften Häuser - war mit 35,4 Prozent dagegen unangefochtener Spitzenreiter.

CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach sagte zu Reuters, er erkenne bei der Commerzbank und der Deutschen Bank "schon eine gewisse positive Entwicklung". Die Gefahr, dass die Banken ins Straucheln geraten könnten, sehe er nicht. Allerdings hätten beide noch Hausaufgaben zu erledigen.

"NICHT SCHLECHTER ALS ANDERE"

KPMG-Partner Daniel Quinten sieht die deutschen Banken auch als Opfer der Stresstest-Methode. Sie treffe Universalbanken und Institute mit einem hohen Zinsanteil härter als Banken mit einem sehr fokussierten Geschäftsmodell. Die Commerzbank baut bei der Refinanzierung vor allem auf die Einlagen ihrer Kunden, die nach dem Stress-Szenario in einer Krise besonders teuer würden. Ob das tatsächlich so wäre, halten Experten für zweifelhaft. "Ein starker Kapitalverlust im Stresstest muss nicht gleichbedeutend sein mit einem schwächeren Bankensystem", sagte Regulierungsexperte Quinten. Dazu kämen unterschiedliche Regeln bei der Einführung der neuen "Basel-III"-Kapitalvorschriften. Die BayernLB etwa wurde im Stresstest für ihre stillen Einlagen abgestraft, die sie zwischenzeitlich zum Teil zurückgezahlt hat. "Wenn man diesen Effekt abzieht, sind die deutschen Großbanken nicht schlechter als andere", sagte Quinten zu Reuters.

Die EU-Bankenbehörde EBA, die den Stresstest organisiert hatte, zog ein vorsichtiges Fazit: Die Geldhäuser hätten ihre Kapitalpolster in den vergangenen Jahren gestärkt, seien aber noch nicht völlig gesund, sagte EBA-Chef Andrea Enria. "Es liegt noch einiges an Arbeit vor uns." Die Europäische Zentralbank (EZB), die zwei Drittel der Teilnehmer beaufsichtigt, zeigte sich zufriedener. "Der Bankensektor ist heute widerstandsfähiger und kann viel besser wirtschaftliche Schocks absorbieren als vor zwei Jahren", erklärte die oberste EZB-Bankenaufseherin Daniele Nouy.

"ITALIEN BLEIBT EIN GEFAHRENHERD"

Für das größte Sorgenkind wurde in letzter Minute eine Lösung gefunden. Die drittgrößte italienische Bank, Monte dei Paschi di Siena, legte einen Rettungsplan vor, mit dem sie nicht nur alle Kredite ohne Aussicht auf Rückzahlung an einen Bankenrettungsfonds abgeben will, sondern weitere fünf Milliarden Euro frisches Kapital bekommen soll[L8N1AF7HF]. Der Stresstest enthüllte, dass eine Krise das Kapital der ältesten Bank der Welt wegen der Milliardenlast an faulen Krediten restlos ausradieren würde. Das Institut war schon 2014 auf dem letzten Platz gelandet. Das schlechte Abschneiden von Monte dei Paschi sei zu erwarten gewesen, sagte die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. "Aus dem Stresstest lässt sich aber keine Gefahr einer systemischen Krise ableiten."

Auch die Allied Irish Banks zählte mit einer Kapitalquote von 4,3 Prozent im Stress-Szenario überraschend zu den größten Verlierern. Anders als 2014 gab es beim diesjährigen Test aber keine bestimmte Mindestlatte - die Banken konnten also auch nicht durchfallen. Allerdings beäugen Analysten alle Institute kritisch, deren Quote unter sieben Prozent fallen würde. Drittletzter war die österreichische Raiffeisen Zentralbank (RZB) (6,1 Prozent). "Österreichs Banken brauchen mehr Eigenkapital, das haben wir immer gesagt", sagte Helmut Ettl, der Chef der Finanzmarktaufsicht FMA, der Nachrichtenagentur Reuters.

Commerzbank AG

WKN CBK100 ISIN DE000CBK1001

Deutsche Bank AG

WKN 514000 ISIN DE0005140008

Intesa Sanpaolo S.p.A.

WKN 850605 ISIN IT0000072618

Raiffeisen Bank International AG

WKN A0D9SU ISIN AT0000606306