Reuters

HINTERGRUND-Börsenkandidaten drängeln sich vor US-Wahl

04.09.2016
um 10:51 Uhr

- von Alexander Hübner und Arno Schuetze

Frankfurt (Reuters) - Uniper gibt den Startschuss. Die Erstnotiz der Kraftwerkstochter von E.ON an der Frankfurter Börse am 12. September läutet in diesem Jahr eine heftige, aber kurze Herbst-Saison für Börsengänge ein.

Noch in der gleichen Woche werden laut Insidern die öffentlichen Ankündigungen ("intention to float") des IVG- Büroimmobilien-Konzerns OfficeFirst und der RWE-Ökostromtochter Innogy erwartet. Beide könnten - sofern nichts Unvorhersehbares passiert - vier Wochen später ebenfalls an der Börse gelistet sein. Die Zeit drängt: Denn alle wollen Donald Trump aus dem Weg gehen. Der Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA ist auch für deutsche Investmentbanker ein Schreckgespenst.

Sie fürchten ein heftiges Auf und Ab an den Börsen, wenn die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Milliardär Trump und der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton anzeigen. "Wer weiß, welche überraschenden Wendungen das nimmt - und die Märkte sind in Bezug auf Überraschungen sehr sensibel", sagt Georg Hansel von Bank of America Merrill Lynch. Die Debatte um den Austritt Großbritanniens aus der EU hatte schon im Mai und Juni für eine Zwangspause bei allen Börsengängen gesorgt. Jeder versuche die zwei Wochen vor und nach dem US-Wahltermin am 8. November zu vermeiden. Schwankungen sind Gift für Börsengänge, weil sie Bankern und Investoren die Preisfindung erschweren.

Uniper ist davon kaum betroffen, werden die Aktien doch im Zuge der Abspaltung den E.ON-Aktionären einfach ins Depot gebucht. Doch müssen die Investmentbanker von JP Morgan, Morgan Stanley und Citi in den Stunden und Tagen rund um die Erstnotiz möglichst kursschonend neue Eigentümer für mindestens ein Viertel der neuen Uniper-Aktien finden. Sie liegen zumeist bei Indexfonds, die den Leitindex Dax abbilden und daher nichts mit den Papieren anfangen können. E.ON hofft, dass die "neue" E.ON und Uniper an der Börse getrennt mehr wert sind als der "alte" Energieriese.

Das gleiche Kalkül treibt auch RWE beim Börsengang von Innogy. Doch das Modell ist ein ganz anderes: Während E.ON über die Abspaltung die Mehrheit an Uniper abgibt, damit aber kein Geld einnimmt, versuchen die Essener mit dem Verkauf von neuen Innogy-Aktien zwei Milliarden Euro oder mehr einzusammeln. Ob sich darüber hinaus auch RWE von einem Teil seines Innogy-Aktienbestandes trennt, hängt von der Reaktion der Anleger ab. "Bei Uniper und Innogy ist viel Musik drin. Die Investoren müssen sich entscheiden, ob sie Anteile an beiden Unternehmen halten wollen oder nur an einem", sagt Hansel. Bei einigen Fondsgesellschaften dürften sich die Vorstände von Uniper und Innogy in den nächsten Wochen die Klinke in die Hand geben.

Doch auch wenn Innogy "nur" zwei Milliarden Euro einnähme, wäre es einer der größten Börsengänge in Deutschland in diesem Jahrtausend. Wenn RWE weitere fünf Prozent auf den Markt wirft, könnte er sogar größer ausfallen als der von T-Online, der im April 2000 2,87 Milliarden Euro einbrachte. Die Entscheidung könnte sehr kurzfristig fallen. Investmentbanker überlegen, ob sich RWE im Börsenprospekt eine "Aufstockungsoption" einräumen lässt, um die Emission in letzter Minute größer zu machen, wenn die Anleger begierig zugreifen.

"JETZT IST VERSORGER-SAISON"

"Nach dem erfolgreichen Börsengang von Dong in Dänemark ist jetzt Versorger-Saison in Deutschland", fasst Andreas Bernstorff von Citi den Trend zusammen. Der Windpark-Betreiber Dong Energy war mit 2,6 Milliarden Dollar der größte Börsengang weltweit im ersten Halbjahr. In Deutschland herrschte dagegen Flaute. Mit der Biotechnologie-Firma Brain und dem Windanlagen-Hersteller Senvion schafften es gerade zwei Neuemissionen in den streng regulierten Prime Standard - mit einem Erlös von mageren 300 Millionen Euro[nL8N19L117].

Nun hoffen Banker, dass ihnen Innogy und OfficeFirst das Jahr halbwegs retten. "Investoren haben sich zuletzt defensiv positioniert und Bargeld auf die Seite gelegt, das sie jetzt investieren wollen", sagte Neuemissions-Experte Armin Heuberger von der UBS. "Die Volatilität ist über den Sommer gesunken, das Umfeld für Börsengänge ist derzeit gut." Auch Hansel rechnet mit großen Einzelorders. "Geld ist genug da."

Darauf setzen auch die Eigentümer der IVG. Die 30 Hedgefonds aus den USA und Großbritannien wollen 40 bis 60 Prozent an der Büroimmobilien-Tochter OfficeFirst des vor drei Jahren in die Pleite gerutschten Konzerns an den Markt bringen - wenn nicht doch noch der Finanzinvestor Blackstone dazwischengrätscht und OfficeFirst als Ganzes kauft. Drei Milliarden Euro auf die Hand sind ihnen allemal lieber als 700 bis 900 Millionen beim Börsengang - mit der vagen Aussicht, dass sich der Rest später lukrativer platzieren lässt. Dasselbe Kalkül vereitelt zurzeit auch zahlreiche Börsengänge von Unternehmen aus dem Besitz von Finanzinvestoren: Es findet sich fast immer ein Käufer, der gleich in bar zahlt.

RWE AG

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