Reuters

Gabriel und Schäuble streiten über Reformdruck auf Athen

24.03.2017
um 15:26 Uhr

Berlin (Reuters) - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Außenminister Sigmar Gabriel streiten über den Reformdruck auf Griechenland.

Der SPD-Politiker habe bei seinem jüngsten Besuch in Athen "die ganz falsche Botschaft gesendet", kritisierte Schäuble am Freitag. Die Griechen hätten Reformen zugesagt und müssten sie auch umsetzen. Gabriel hatte die Reformanstrengungen der Griechen gelobt und einen zügigen Abschluss der Gespräche über deren Umsetzung angemahnt, was den Weg für weitere Hilfen freimachen würde. EU-Kreisen zufolge sieht die Prüf-Troika aus EU-Kommission, EZB und ESM für Griechenland Licht am Ende des Tunnels. Wegen des Dauerstreits über weitere Einschnitte drohe aber ein Rückfall.

"Ich habe mich darüber geärgert, dass Herr Gabriel in Griechenland den Griechen eine Botschaft gesendet hat, die den Griechen nicht hilft, sondern die es ihnen eher schwieriger macht, die richtigen Entscheidungen zu treffen", sagte Schäuble dem Deutschlandfunk. "Das ist eine ganz falsche Botschaft, wenn man sagt, es liegt am Geld." Gabriel hatte über den Kurz-Nachrichtendienst Twitter erklärt: "Wir könnten bei der nächsten Debatte über Europas Finanzen ja mal etwas 'Unerhörtes' tun, nämlich Bereitschaft signalisieren, mehr zu zahlen."

SCHÄUBLE SPRICHT VON "SCHWEREM FEHLER"

Mit Sprüchen, man müsse mehr Geld nach Europa geben, sei das Problem nicht gelöst, sagte Schäuble. "Das ist ein schwerer Fehler." Griechenland könne nur im Euro bleiben, wenn es eine wettbewerbsfähige Wirtschaft habe. Auf die Frage, ob er schon im Wahlkampf sei, antwortete Schäuble: "Nein, überhaupt nicht."

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes hob hervor, dass Gabriel bei seinem Besuch am Mittwoch und Donnerstag in Athen den Eindruck gehabt habe, dass der Weg zu einer Einigung über die laufende Programmüberprüfung "gar nicht mehr so weit ist". Die Griechen hätten bereits eine Reihe sehr schmerzhafter Reformen unternommen. So sei das Durchschnittseinkommen um 25 Prozent gesunken und die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um ein Viertel gekappt worden. Die Arbeitslosigkeit liege bei 25 Prozent, bei Jugendlichen bei 50 Prozent. "Das sind ja alles Folgen der wirklich tiefgreifenden Reformen", sagte er.

Eine Sprecherin von Schäuble sagte dagegen, um die Reform-Überprüfung erfolgreich abzuschließen, müsse die griechische Regierung "in zentralen Fragen" mehr tun, vor allem in den Bereichen Arbeitsmarkt und Rente. Deutschland ist laut Schäuble generell immer bereit, Geld für Europa zu geben, wenn es um die Zukunftsfähigkeit gehe. "In erster Linie muss man dafür sorgen, dass das Geld sinnvoll eingesetzt wird", ergänzte er allerdings.

"Schäuble spielt wieder den Zuchtmeister", kritisierte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. "Angesichts von Brexit und Trump brauchen wir mehr denn je einen respektvollen Umgang miteinander." Gabriel habe in Athen den richtigen Ton getroffen. "Das ewige Griechenland-Bashing von Finanzminister Schäuble nervt und hilft niemanden."

TROIKA RECHNET MIT HÖHEREM WIRTSCHAFTWACHSTUM ALS GEDACHT

Die Vertreter der drei Prüfinstitutionen ("Troika") bescheinigen Griechenland nach Angaben aus EU-Kreisen, mit seiner wirtschaftlichen Erholung schneller voranzukommen als erwartet. "Griechenland hat bisher die Erwartungen übertroffen, sowohl beim Wachstum als auch vor allem beim Primärüberschuss." Demnach erwarten die Prüfer in diesem und im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,7 und 3,1 Prozent. Angesichts des Einbruchs im letzten Quartal 2016 von 1,2 Prozent sowie des Abflusses von Spareinlagen seit Januar bleibe die Erholung aber fragil. Es komme deshalb darauf an, die laufende Überprüfung der Reformen jetzt abzuschließen und keine Unsicherheit zu schaffen.

Den EU-Kreisen zufolge wird die griechische Regierung beim Primärüberschuss - dem Staatshaushalt ohne Zinszahlungen - im April für 2016 voraussichtlich einen Anstieg auf 3,5 Prozent gemessen am BIP bekanntgeben. Die Institutionen seien etwas vorsichtiger und rechneten mit einem Wert zwischen zwei und drei Prozent. Das sei aber immer noch deutlich mehr als die 1,75 Prozent, die vereinbart worden seien. Der Primärüberschuss ist ein wichtiger Indikator dafür, ob ein Staat genug Geld hat für zentrale Aufgaben wie Sicherheit, aber auch für Schuldenabbau.