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CHRONIK-Daten, Personen und Entscheidungen - Zehn Jahre Finanzkrise

23.07.2017
um 11:38 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Der Beginn der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit jährt sich in diesem Sommer zum zehnten Mal.

Ausgehend vom Zusammenbruch des US-Hypothekenmarktes breitete sich die Krise damals innerhalb des Finanzsystems mit rasender Geschwindigkeit rund um den Globus aus. Daraus folgte ein globaler Konjunktureinbruch fast beispiellosen Ausmaßes. Dadurch gerieten die Staatsfinanzen zahlreicher Länder in Turbulenzen, der Euro und die europäische Währungsunion gerieten in eine tiefgreifende Vertrauenskrise. Es folgt ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse in den vergangenen zehn Jahren:

28./29. Juli 2007

Mit massiven Problemen der Mittelstandsbank IKB erreichen die Finanz-Turbulenzen Deutschland. In einer Krisensitzung von Spitzenvertretern der Kreditwirtschaft wird klar, dass die Probleme der IKB viel größer sind als gedacht: Die Bank rechnet mit Abschreibungen von einer Milliarde Euro. IKB-Chef Stefan Ortseifen tritt zurück. IKB-Großaktionär KfW und die Bankenverbände schnüren ein erstes Rettungspaket über 3,5 Milliarden Euro.

9. August 2007

An den Interbanken-Geldmärkten kommt es zu Turbulenzen, schließlich versiegen die Liquiditätsströme zwischen den Instituten, weil sie sich nicht mehr trauen. Die Krise betrifft nicht mehr nur einzelne Geldhäuser, sondern hat eine systemische Dimension erreicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpt 95 Milliarden Euro in die Märkte, um das System zu stabilisieren. Die US-Notenbank versorgt die Banken außerplanmäßig mit rund 40 Milliarden Dollar.

13. bis 17. September 2007

Der britische Hypothekenkreditgeber Northern Rock gerät in Liquiditätsprobleme, die einen Run auf die Bank und auslösen. Das britische Finanzministerium garantiert die Einlagen.

14. bis 17. März 2008

Die US-Investmentbank Bear Stearns leidet unter einem akuten Liquiditätsmangel, weil es ihr nicht mehr gelingt, sich über den Finanzmarkt zu refinanzieren. Zunächst stellt die Federal Reserve der Bank Kredite zur Verfügung. Schließlich übernimmt JP Morgan den Konkurrenten.

7. September 2008

Die beiden großen US-Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac werden unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt.

15. September 2008

Der Höhepunkt der Banken-Krise: die US-Investmentbank Lehman Brothers muss Insolvenzantrag stellen. Es kommt zu heftigen Turbulenzen an den Börsen, das Misstrauen steigt, der Welthandel bricht ein und in vielen Ländern stürzt die Wirtschaft in eine schwere Rezession.

17. September 2008

Die US-Regierung muss den weltgrößten Versicherer AIG mit einem Kredit von 85 Milliarden Dollar vor der Pleite bewahren.

5. Oktober 2008

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück garantieren vor laufenden Kameras die Sicherheit der Einlagen der deutschen Sparer bei den heimischen Kreditinstituten. Vorausgegangen war dem ein starker Anstieg der Abhebungen von 500-Euro-Scheinen in Deutschland - ein deutliches Zeichen des Vertrauensverlustes in das Finanzsystem.

8. Oktober 2008

Die wichtigsten Notenbanken der Welt, darunter EZB und FED, senken in einer konzertierten Aktion ihre Leitzinsen - ein historischer und noch nie dagewesener Schritt.

14./15. November 2008

Als Reaktion auf die rasch um sich greifende Finanzkrise trifft sich erstmals die G20-Gruppe aus Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer in Washington. Verabschiedet wird ein umfangreiches Aufgabenpaket, mit dem man einen Absturz der Weltwirtschaft verhindern und das globale Finanzsystem stabilisieren will. Die G20 gilt fortan als das zentrale Koordinationsforum der weltweiten Wirtschafts- und Finanzpolitik.

8. Januar 2009

Die Commerzbank rettet sich schwer angeschlagen in die Hände des Staates, der 25 Prozent plus eine Aktie an der damals zweitgrößten deutschen Bank übernimmt. Der Bund ist bis heute an der Commerzbank beteiligt.

10. Mai 2010

Als wegen der Schuldenkrise in Griechenland und anderen Euro-Ländern die Refinanzierungskosten für Frankreich kräftig steigen, ist die Krise endgültig im Zentrum der Währungsunion angekommen. Um die Lage zu stabilisieren, beginnt die EZB erstmals mit dem Kauf von Staatsanleihen einzelner Länder - ein vor allem in Deutschland als verbotene Staatsfinanzierung durch die Notenbank heftig kritisierter Schritt.

8. August 2011

Die EZB startet den Aufkauf von Staatsanleihen Italiens und Spaniens. Beide Länder waren an den Finanzmärkten ins Visier von Spekulanten geraten.

9. September 2011

Der deutsche EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark tritt aus Protest gegen die Geldpolitik der Notenbank zurück - der Euro stürzt darauf am Devisenmarkt ab.

26. Juli 2012

Nach einer kurzen Beruhigungsphase nehmen die Turbulenzen an den Märkten im Frühsommer 2012 wieder zu. Der neue EZB-Präsident Mario Draghi erklärt in London in einer mittlerweile berühmt gewordenen Rede, die Zentralbank werde "alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten". Dieses Versprechen gilt bis heute vielen Experten als Wendepunkt der Krise. Seitdem haben die Schwankungen an den Finanzmärkten deutlich abgenommen und viele Länder können sich wieder günstiger verschulden.

6. September 2012

Der EZB-Rat beschließt gegen den Widerstand der Bundesbank neue umfangreiche Staatsanleihekäufe, mit denen die Zukunft des Euro in der Schuldenkrise abgesichert werden sollen. Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof gehen das sogenannte OMT-Programm bleiben erfolglos. Tatsächlich wurde von der EZB bis heute keine Staatsanleihe über das Programm erworben.

5. Juni 2014

Die EZB beschließt Strafzinsen für Banken, die bei ihr Geld parken, statt es als Kredit an Unternehmen und Haushalte weiterzugeben. Der Strafzins gilt bis heute - die Kreditvergabe der Institute hat zugenommen.

4. November 2014

Die EZB übernimmt die direkte Aufsicht über die 125 größten Banken in der Euro-Zone von den nationalen Behörden. Diese bleiben für die Kontrolle der kleineren Banken in ihren Ländern verantwortlich. Vorher hatte die EZB die großen Banken in einem beispiellosen Test erstmals auf Herz und Nieren geprüft, um Altlasten in den Bilanzen aufzuspüren und Probleme aufzudecken.

1. Januar 2015

Mit dem neuen Jahr nimmt eine neue EU-Behörde für die Sanierung und geordnete Abwicklung von maroden Banken ihre Arbeit auf: der Single Resolution Mechanism (einheitlicher Abwicklungsmechanismus).

22. Januar 2015

Um die schwache Teuerung und damit indirekt die maue Konjunktur in der Währungsunion anzuheizen, beschließt die EZB den Aufkauf von Staatsanleihen für monatlich 60 Milliarden Euro. Das Programm läuft noch bis Ende 2017. Experten erwarten im kommenden Jahr eine schrittweise Reduzierung der Anleihekäufe, weil die Wirtschaft sich inzwischen gut entwickelt.

20. Juli 2015

Nach drei Wochen öffnen die griechischen Banken wieder. Zuvor war es wegen der drohenden Pleite des überschuldeten Landes zu massenhaften Abhebungen an den Geldautomaten und Kapitalverkehrskontrollen gekommen.

29. Juni 2017

Die größten Banken der USA bestehen erstmals seit der Krise alle einen Stresstest der Zentralbank - damit scheint die Krise nach zehn Jahren wenigstens in den USA überstanden zu sein.

(Quellen: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Europäische Zentralbank, Bundesbank, Bundesfinanzministerium, Internationaler Währungsfonds, Deutsche Bank, Commerzbank, KfW, Institut für Kredit- und Finanzwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum, eigene Recherchen.

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