Reuters

Massive Kritik an Erdogans Aufruf zur Bundestagswahl

18.08.2017
um 17:31 Uhr

Berlin/Istanbul (Reuters) - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mit seinem gegen Union, SPD und Grüne gerichteten Aufruf zur Bundestagswahl massive Kritik ausgelöst.

"Das ist ein bislang einmaliger Akt des Eingriffs in die Souveränität unseres Landes", sagte Außenminister Sigmar Gabriel am Freitag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Auch Vertreter türkischer und kurdischer Gruppierungen wandten sich empört gegen den Appell des türkischen Staatsoberhaupts. Erdogan hatte sich zuvor an die in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft gewandt: "Ich rufe alle meine Landsleute in Deutschland auf: die Christdemokraten, die SPD, die Grünen sind alle Feinde der Türkei."

Gabriel appellierte an die Deutschen türkischer Herkunft, an der Bundestagswahl teilzunehmen. "Zeigen wir denen, die uns gegeneinander ausspielen wollen, dass wir dieses böse Spiel nicht mitmachen." Erdogan warf er vor, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zerstören zu wollen. Der stellvertretende Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Atila Karabörklü, sagte dem RND: "Erdogan möchte die deutsche Gesellschaft spalten." Erdogans Ziel sei es, der deutschen Demokratie zu schaden. Der Generalsekretär der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Cahit Basar, warf Erdogan vor, offensichtlich die seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Menschen instrumentalisieren zu wollen. Er warnte, dass der Erdogan unterstehende türkische Moscheeverband DITIB versuchen werde, Erdogans Wahlanweisungen umzusetzen.

ERDOGAN SIEHT BESTIMMTE PARTEIEN ALS FEINDE DER TÜRKEI

"Unterstützt die politischen Parteien, die keine Feinde der Türkei sind", sagte Erdogan. Welche das sind, sagte er nicht. Deutschland sei ein Land geworden, dass die Werte der Europäischen Union verletze. Erdogan kann in Deutschland auf eine erhebliche Zahl von Anhängern zählen. Für die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei vergangenen April, bei der die Rechte des Präsidenten und damit Erdogans massiv ausgeweitet wurden, stimmten in Deutschland 63 Prozent der teilnehmenden Türken. Jene mit doppelter Staatsbürgerschaft können ihre Stimme auch bei der Bundestagswahl abgeben.

Die Türkei und Deutschland liegen in einer Reihe von Themen überkreuz. Die Bundesregierung kritisiert unter anderem die Inhaftierung mehrerer Deutscher in türkischen Gefängnissen, darunter der Journalist Deniz Yücel. Die türkische Seite wiederum wirft Deutschland vor, Beteiligten am Putschversuch des vergangenen Jahres Zuflucht zu gewähren und Pläne zur Erweiterung der EU-Zollunion zu blockieren.