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HINTERGRUND-Kaserne wird Kiez - Das Geschäft mit der Konversion

02.10.2017
um 09:36 Uhr

- von Elke Ahlswede

Frankfurt (Reuters) - Von der Kaserne zum neuen Ortsteil, vom Exerzier- zum Spielplatz: Die Stadtplaner-Version der Losung "Schwerter zu Pflugscharen" ist durch den Umbau der Bundeswehr sowie den Abzug britischer und amerikanischer Soldaten aus Deutschland für Bund, Kommunen und Immobilienfirmen zum Geschäft geworden.

Die sogenannte Konversion, also die Umwandlung aufgegebener Militäranlagen, hat dem Bund als Verkäufer der Gebäude und Grundstücke von 2012 bis 2016 rund 900 Millionen Euro in die Kassen gespült. Und der Verkauf geht weiter. Wenn sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) von Mittwoch an auf der Fachmesse Expo Real in München präsentiert, dann auch als Maklerin für ehemalige Soldatensiedlungen und Militärflugplätze.

Zuletzt zählte der Immobilien-Dienstleister des Bundes rund 600 zum Verkauf stehende "Konversionsliegenschaften". Die Gesamtfläche von etwa 76 Quadratkilometern entspricht ungefähr der Ausdehnung von Städten wie Oberhausen oder Ludwigshafen. In den vergangenen fünf Jahren verkaufte die BImA 52 Quadratkilometer Fläche. Ex-Immobilien der Bundeswehr und der Alliierten machen jeweils rund die Hälfte aus. Im Geschäft mit dem Nachlass der Nato-Partner sind Schwerpunkte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo sich britische Soldaten verabschieden. Der Fokus liegt aber auch im Rhein-Neckar-Raum, wo "Baracks" der US-Armee freiwerden.

Das Aus für Militärstandorte bedeutet für Kommunen zunächst oft erst einmal den Verlust von Kaufkraft und Arbeitsplätzen. Der Truppenabzug kann aber auch eine neue Ära der Stadtentwicklung einläuten. Schließlich können Städte und Gemeinden plötzlich Gebiete in ihre Planung einbeziehen, die jahrzehntelang tabu waren.

EXPERTIN: KLEINE GEMEINDEN MITUNTER SCHLICHT ÜBERFORDERT

"Das ist Fluch und Segen zugleich", sagt Heike Piasecki, Konversions-Expertin beim immobilienwirtschaftlichen Analyse- und Beratungsunternehmen Bulwiengesa in München. Kleine Gemeinden seien mit der Entwicklungsaufgabe mitunter schlicht überfordert. Zudem könne ein "Zuviel" an Fläche in Gegenden mit Immobilienpreisverfall die Probleme noch verschärfen. Dagegen sei der Wandel eine Chance für Regionen, in denen es eng ist.

Dort können auf Konversionsflächen langersehnte Wohn- oder Gewerbegebiete entstehen - lukrative Geschäftsmöglichkeiten für die Immobilienbranche. Dieses Potenzial haben auch Größen wie die Deutsche Wohnen erkannt. Der Konzern will auf einem Teilgebiet der ehemaligen Kaserne Krampnitz zwischen Berlin und Potsdam ein neues Viertel mit rund 1400 Wohnungen bauen. Auf dem großen Militärgelände böten sich dafür optimale Voraussetzungen, erklärt der Konzern. Marktführer Vonovia zeigt sich zurückhaltender: Im Bestand gibt es demnach zwar Wohnungen, die ursprünglich für Soldaten gebaut wurden. Der weitere Ankauf von Kasernen stehe jedoch nicht im Fokus, sagt eine Sprecherin.

ZÄHE VERHANDLUNGEN - KASERNEN ALS FLÜCHTLINGSUNTERKÜNFTE

Ohne Risiken ist das Geschäft mit der Konversion denn auch nicht. Nicht nur Altlasten wie Munitionslager und Bomben-Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg können die Entwicklung ausbremsen. Auch stehen jahrzehntealte Gebäude nicht selten unter Denkmalschutz, während für waldreiche Truppenübungsplätze auch der Naturschutz ins Spiel kommt. Zuletzt kam zudem mancherorts der Verkauf ins Stocken, weil die BImA Ländern und Kommunen Teile der Kasernen vorübergehend als Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung stellt.

Bis die Bagger tatsächlich anrücken, müssen Städte also viel Geduld haben - und genug Geld. Die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unterstellte BImA ist grundsätzlich dazu verpflichtet, ihre "entbehrlichen Immobilien" zum vollen Wert zu verkaufen - also auch die Hinterlassenschaften von Bundeswehr, British und US Army. Mit dem Verkauf von Konversionsflächen will die BImA 2017 nach eigenen Angaben rund 120 Millionen Euro erlösen.

DEUTSCHER STÄDTETAG KRITISIERT "HÖCHSTPREISE"

Mitunter kann es Jahre dauern, bis sich BImA und Kommunen handelseinig werden. Die oft klammen Städte haben andere Preisvorstellungen als der Bund, von dem sie sich angesichts voller Staatskassen und knappem Wohnungsangebot ohnehin mehr Entgegenkommen wünschen. So sieht der Deutsche Städtetag das Gesetz, nach dem die BImA "zum höchsten Preis veräußern muss", im Widerspruch zur "sozialgerechten Wohnraumversorgung" und fordert Korrekturen. Strukturpolitische und soziale Ziele müssten künftig im Mittelpunkt stehen.

Die BImA verweist auf Ausnahmen, bei denen sie schon jetzt beispielsweise für Projekte des sozialen Wohnungsbaus von ihren Grundsätzen abrücken kann. Außerdem zeige die große Zahl an Verkaufsverträgen, dass regelmäßig Lösungen gefunden würden, "die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden".

Deutsche Wohnen SE

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