Reuters

IT-Konkurrenz zwingt Autobauer zum Umdenken

28.01.2018
um 11:11 Uhr

- von Jan Christoph Schwartz

Hamburg (Reuters) - Die IT-Giganten sitzen der Automobilindustrie im Nacken: Um im Rennen um selbstfahrende Autos und neue Mobilitätsdienste vorne dabei zu sein, gehen Autobauer und ihre Lieferanten reihenweise Partnerschaften mit Technologiefirmen und Start-ups ein.

Daimler arbeitet an einer neuen Konzernstruktur, um sich bei Bedarf leichter mit anderen zu verbünden - oder weniger zukunftsträchtige Bereiche abgeben zu können. Continental denkt darüber nach. Der Umbau der PS-Branche dürfte nach Meinung von Experten in den nächsten Jahren an Fahrt gewinnen, auch weil der Schwenk in die Elektromobilität die Unternehmen viel Geld kostet. Um das nötige Kapital und Know-how für den technologischen Wandel zu bekommen, schlagen Experten den Autofirmen vor, den Konkurrenzgedanken zurückzustellen und stärker zusammenzuarbeiten. Dafür kämen sowohl branchenübergreifende Partnerschaften als auch Zusammenschlüsse in Frage.

"Autohersteller werden an Fusionen nicht vorbeikommen, wenn sie den Kampf mit den großen Technologiekonzernen um die Vorherrschaft nicht verlieren wollen", ist Dieter Becker von der Unternehmensberatung KPMG überzeugt. Vor allem für Massenhersteller führe kein Weg an Zusammenschlüssen vorbei. Der Experte rechnet vor, dass die 50 größten Autohersteller an der Börse heute zusammen nur noch etwa ein Fünftel der 15 größten Technologiekonzerne wert sind. Vor acht Jahren seien sie noch auf 40 Prozent gekommen. Investoren könnten daraus ihre Schlüsse ziehen und Autofirmen künftig meiden.

Andere Fachleute halten es auch für möglich, dass der Druck auf Unternehmen steigen könnte, sich aufzuspalten und Teile zu verkaufen oder an die Börse bringen. Die Ratingagentur Moody's befürchtet, dass die Bonität wegen des enormen Kapitalbedarfs beim Umbau der Branche leiden könnte. Dazu trage auch bei, dass mit rein batteriebetriebenen Autos bis Anfang des nächsten Jahrzehnts voraussichtlich kaum Geld verdient werde.

PARTNER GESUCHT

Axel Schmidt von der Beratungsfirma Accenture schätzt, dass sich die Autobranche in den kommenden Jahren stark verändern wird: "Neue Spieler treten auf. Einzelne, vor allem kleinere, etablierte Firmen suchen Unterstützung - siehe Opel, siehe Volvo." Opel gehört seit kurzem zum PSA-Konzern. Volvo ist im Besitz des chinesischen Autobauers Geely. "Die neuen Technologien verändern sich schnell und machen Experimente nötig. Das verlangt nach einer Flexibilität, die Fusionen nicht bieten – Partnerschaften dagegen schon", sagt Schmidt. "Ein Mega-Konsortium wird niemand mehr kaufen oder zusammenkaufen. Man wird sich in wechselnden Partnerschaften aneinander binden."

Große Konzerne mit vielen Töchtern und Beteiligungen stehen auch in anderen Branchen nicht mehr hoch im Kurs. Siemens etwa will einen flexiblen "Flottenverbund" unter einer gemeinsamen Marke schaffen, um bei Krisen Bereiche abstoßen zu können. Eine gemeinsame Dachmarke als Klammer für einen Verbund mit Firmen aus der IT-Industrie könnte auch Modell für die Autoindustrie sein. Volkswagen hat die zentrale Steuerung seiner zwölf Marken von Wolfsburg aus gelockert, um schneller entscheiden zu können.

EUROPÄER KÄMPFEN NOCH GEGENEINANDER

"Die Autobauer sollten stärker zusammenrücken und Wertschöpfungsketten untereinander aufteilen", schlägt KPMG-Experte Becker vor. Die Unternehmen müssten sich auf ihre Kernkompetenzen besinnen, nicht jeder müsse mehr alles selbst entwickeln und bauen. "Sie sollten sich überlegen, wer welche Kompetenz hat, vielleicht auch zum Teil zum Komponentenfertiger werden." Das verlangt ein Umdenken in einer Industrie, in der jeder seinen eigenen Weg verfolgt. "Die Westeuropäer kämpfen noch eher gegeneinander und merken gar nicht, dass um sie herum eine ganz andere Welt entsteht", sagt Becker. In China sei man schon weiter - auch weil der Staat dort die Entwicklung lenkt.

Dabei gehören Partnerschaften längst auch hierzulande zum A und O in der Autobranche. Als Orientierung gilt vielen das Bündnis von BMW mit dem Kameratechnik-Spezialisten Mobileye und dem US-Chipproduzenten Intel für autonomes Fahren, dem sich neben Zulieferern wie Continental und Delphi auch der italienisch-amerikanische Autobauer Fiat Chrysler angeschlossen haben. Der Aufbruch in die digitale Welt lässt manches Unternehmen lange gepflegte Aversionen überwinden. So werden Daimler und BMW ihre Carsharing-Dienste wohl bald zusammenlegen. [nL8N1PI6EX]

Der Kreditversicherer Euler Hermes geht davon aus, dass die Konsolidierung noch gar nicht richtig in Schwung gekommen ist. "Die wird dann kommen, wenn ein chinesischer Hersteller oder ein anderer Anbieter in der Lage ist, ein Elektroauto zu bauen, das weniger als 10.000 Euro kostet und 700 oder 800 Kilometer mit einer Batterieladung fährt", sagt Guido Vos, der bei Euler Hermes die Kreditentscheidungen für deutsche Versicherungsnehmer trifft. Dann werde der Druck auf die Branche steigen. "Ob es Zusammenschlüsse oder einen Verdrängungswettbewerb geben wird, bleibt abzuwarten."

Apple

WKN 865985 ISIN US0378331005

Baidu

WKN A0F5DE ISIN US0567521085

BAY.MOTOREN WERKE AG ST

WKN 519000 ISIN DE0005190003

CONTINENTAL AG O.N.

WKN 543900 ISIN DE0005439004

General Motors Company

WKN A1C9CM ISIN US37045V1008

Intel Corp

WKN 855681 ISIN US4581401001

MERCEDES-BENZ GRP NA O.N.

WKN 710000 ISIN DE0007100000

SIEMENS AG NA O.N.

WKN 723610 ISIN DE0007236101

Tesla

WKN A1CX3T ISIN US88160R1014

VOLKSWAGEN AG VZO O.N.

WKN 766403 ISIN DE0007664039