Reuters

Bundesbank fürchtet mangelnde Kontrolle über Euro-Clearing

25.05.2018
um 17:11 Uhr

- von Frank Siebelt und Hans Seidenstuecker

Frankfurt (Reuters) - Durch den Brexit droht den EU-Finanzaufsehern ein Kontrollverlust an einer zentralen Schaltstelle für die Märkte.

Dabei handelt es sich um die Abwicklung von Derivategeschäften in Euro, die derzeit vor allem in der Londoner City stattfindet. Doch nach dem EU-Austritt Großbritanniens Ende März 2019 haben Finanzwächter aus der EU womöglich keinen Zugriff mehr auf dort sitzende Clearinghäuser, die täglich derartige Geschäfte im Billionenvolumen verrechnen. Bei der Bundesbank läuten deshalb die Alarmglocken.

Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling zeigt sich im Reuters-Interview besorgt: "Wenn es wirklich eng wird, wären wir auf eine Institution außerhalb des Euro-Raums angewiesen, um die Funktionsfähigkeit eines wesentlichen Bestandteils der europäischen Finanzmärkte zu erhalten", sagte er. Eine mögliche Lösung wäre Experten zufolge, wenn Abwicklungshäuser, die für das Funktionieren der Finanzmärkte in der EU eine Schlüsselrolle spielen, künftig in der Gemeinschaft sitzen müssten. Doch das Europaparlament hatte vor kurzem in einem Gesetzesentwurf hohe Hürden für einen Zwangsumzug systemrelevanter Clearinghäuser auf den Kontinent genannt. Die nötige Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten zum Vorschlag des Europaparlaments steht noch aus.[nL5N1SO0BZ]

"Wenn ich mir das ganze Konstrukt betrachte, verbleibt mir als Aufseher nach wie vor ein Unbehagen, wenn ich zwar informiert werde, aber letztlich nicht eingreifen kann", sagte Wuermeling, der nach dem Ausscheiden von Andreas Dombret aus der Bundesbank interimsmäßig auch das Thema Bankenaufsicht übernommen hat.

SCHLÜSSELFUNKTION IM FINANZSYSTEM

Clearing-Häuser stehen im Handel zwischen Käufer und Verkäufer. Sie springen ein, wenn einer der Handelspartner ausfällt. Ihnen kommt somit eine Schlüsselfunktion für die Sicherheit des Finanzsystems zu. Die Abwicklung von in Euro lautenden Derivate-Geschäften wird bislang von der Londoner LCH dominiert, einer Tochter der Londoner Börse. Wettbewerber in der restlichen EU wie die Deutsche Börse spielen nur eine Nischenrolle.[nL8N1QB5LT] Nach dem Brexit wird Großbritannien ein sogenanntes Drittland sein und unterliegt dann nicht mehr den EU-Regeln.

Wuermeling verwies auf die Konsequenzen, falls ein Clearinghaus in Turbulenzen gerät. Auch wenn dieses in einem Land außerhalb der EU sitzt, könnten Banken aus der Gemeinschaft in Mitleidenschaft gezogen werden, warnte er. "Sie klopfen dann nicht in dem Drittstaat, sondern bei ihrem Heimatstaat oder bei den Zentralbanken an, wenn sie Hilfe brauchen."

Auch für die Londoner City ist das Euro-Derivate-Geschäft von großer Bedeutung, Tausende Jobs hängen davon ab. Britische Aufsichtsbehörden hatten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, nach dem Brexit mit den EU-Behörden zu kooperieren. Wie diese Kooperation aber konkret aussehen soll, ist noch unklar.

Die Finanzplatz-Lobby Frankfurt Main Finance unterstützt die Kritik der Bundesbank. "Ein wichtiger Hinweis zum richtigen Zeitpunkt", erklärte der Geschäftsführer der Standortinitiative, Hubertus Väth. Die Bundesbank benenne die zentrale Schwachstelle im Vorschlag des EU-Parlaments zur künftigen Regelung des Euro-Clearings. "Finanzmarktstabilität ist zu wichtig, um erst aus schlechten Erfahrungen zu lernen", betonte Väth.

Deutsche Börse AG

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