Reuters

Großes Interesse an Türkei-Investorenkonferenz - Lira erholt

16.08.2018
um 15:01 Uhr

- von Daren Butler und Humeyra Pamuk und Jeff Mason

Istanbul/Ankara (Reuters) - Die vom türkischen Finanzminister Berat Albayrak angesichts der Währungskrise angesetzte Investorenkonferenz stößt auf großes Interesse.

Mehr als 3000 Investoren und Ökonomen hätten sich für die Telefonschalte mit dem Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan angemeldet, erklärten Mitarbeiter seines Ministeriums am Donnerstag. Die Konferenz soll um 15.00 Uhr MESZ beginnen. Albayrak will um Vertrauen in den Standort Türkei werben, der durch den Kursrutsch der Lira unter Druck steht. Seit Jahresbeginn hat die Währung etwa 40 Prozent zum Dollar an Wert verloren und fiel zu Wochenbeginn auf das Rekordtief von 7,24.

Albayrak wird voraussichtlich keine Fragen zulassen. Investoren werden aber genau hinhören, ob der erst im Juli ernannte Finanzminister unabhängig von seinem Schwiegervater entscheiden kann. "Was gegen ihn spricht ist, dass er Erdogans Schwiegersohn ist", sagte Paul McNamara, Investment Director bei GAM London Limited. "Selbst wenn er der beste Mann für den Job war, sieht das nach Dritter Welt aus." Albayrak, der mit Erdogans Tochter Esra verheiratet ist, studierte Bank- und Finanzwesen in den Vereinigten Staaten und arbeitete für den türkischen Mischkonzern Calik Holding, der Erdogans Partei AKP nahesteht.

Offensichtlich ist die Türkei darum bemüht, politisch wieder näher an die EU heranzurücken. Erdogan vereinbarte in einem Telefonat mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron ein baldiges Treffen der Finanzminister beider Länder. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz telefonierte mit Albayrak. Dabei ging es um die US-Sanktionen gegen die Türkei, wie das Ministerium in Ankara mitteilte. Beide vereinbarten ein persönliches Gespräch für den 21. September. Am 28. September wird Erdogan zu einem Staatsbesuch in Berlin erwartet.

SIXT KÖNNTE VON KRISE PROFITIEREN

Die Entwicklung in der Türkei behalten auch deutsche Großkonzerne im Blick. Mögliche Risiken für die Commerzbank durch die Währungskrise bezeichnete deren Chef Martin Zielke als gering. Laut dem Halbjahresbericht lag das Türkei-Engagement per Ende Juni bei 2,5 Milliarden Euro. "Das ist eine überschaubare Größe", sagte Zielke. Der Schwerpunkt liege in der Handelsfinanzierung, es seien sehr kurzfristige Geschäfte. Der Konsumgüterkonzern Henkel will an seinem Türkei-Geschäft festhalten. Abseits des Verfalls der Landeswährung laufe das Geschäft dort sehr gut, sagte Konzernchef Hans Van Bylen. Henkel sei langfristig orientiert und stelle auch seine Investitionspläne für das Land nicht auf den Prüfstand. Der Autoverleiher Sixt erklärte, vor Ort womöglich sogar von der Lira-Schwäche zu profitieren. Sie macht die Türkei für Urlauber preislich attraktiver.

Die Lira erholte sich bereits vor der Konferenz und wertete um 2,5 Prozent auf 5,81 zum Dollar auf. Unterstützung lieferte Marktteilnehmern zufolge die milliardenschweren Finanzspritze aus Katar. Das Emirat hat dem Land 15 Milliarden Dollar an Direktinvestitionen zugesichert. Informationen aus türkischen Regierungskreisen zufolge soll das Geld in die Finanzmärkte fließen und an Banken gehen. Erdogan stößt mit seinen Aufrufen zum Umtausch von Fremdwährungen in Lira bislang allerdings auf taube Ohren. Lokale Investoren bauten in der Woche bis zum 10. August ihre Einlagen in ausländischen Devisen sogar leicht um 0,8 Prozent auf 159,9 Milliarden Dollar aus, wie aus Daten der Zentralbank hervorgeht.

BLATT: BUNDESREGIERUNG SICHERT GESCHÄFTE WEITER AB

Ausgelöst wurde die Währungskrise durch die Sorge von Investoren über den wachsenden Einfluss Erdogans auf die Wirtschaft und seine Forderungen nach niedrigeren Zinsen trotz hoher Inflation. Dazu kommt, dass die Türkei mit dem Nato-Partner USA politisch über Kreuz liegt, was sich auf die Wirtschaftsbeziehungen auswirkt. Die USA wollen auch im Falle einer Freilassung ihres Staatsbürgers Andrew Brunson an höheren Zöllen für Stahl aus der Türkei festhalten. Es gebe keine Pläne, dies zu ändern, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders. Ermittler werfen Brunson Verbindungen zu dem in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen vor, der nach Darstellung der Regierung hinter dem Putschversuch vor zwei Jahren steckt.

Die Bundesregierung sichert einem Zeitungsbericht zufolge trotz fortbestehender Spannungen Exportgeschäfte deutscher Firmen in der Türkei weiter in hohem Maße ab. Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Linkspartei hervor, wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtete. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat nach eigenen Angaben weiter keine Anzeichen dafür, dass die Türkei in ihrer aktuellen Krise den Fonds um finanzielle Unterstützung bitten will. Eine Sprecherin sagte, der IWF beobachte die Lage in der Türkei genau. Die türkischen Aufsichtsbehörden hatten wegen der Krise Devisen-Tauschgeschäfte ihrer Banken mit ausländischen Investoren weiter eingeschränkt.

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