Reuters

Wirtschaft entdeckt Afrika - Und Hürden für Expansion

03.09.2018
um 11:46 Uhr

- von Andreas Rinke

Abuja/Accra/Dakar (Reuters) - "Afrika ist schon noch ein bisschen ein unentdecktes Terrain."

Mit diesen Worten drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel deutsche Firmen am 29. August im Senegal zu mehr Engagement. Denn die deutschen Investitionen auf dem riesigen Kontinent steigen zwar nach Angaben des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr um eine Milliarde Euro - immerhin zehn Prozent der bisherigen Gesamtinvestitionen. Aber im Vergleich mit dem Engagement der global ausgerichteten deutschen Firmen auf anderen Kontinenten ist dies eine sehr kleine Zahl.

Immerhin wurden jetzt am Rande des Westafrika-Besuchs von Merkel mehrere Absichtserklärungen für Projekte unterzeichnet - von Volkswagen bis Bosch und Voith. Aber je größer das Interesse an Geschäften in den 53 Staaten mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern wird, desto stärker spüren die Firmen auch die Bremsfaktoren, neben den bekannten Aspekten der fehlenden Facharbeiter oder der Korruption. Ohne diese Hindernisse könnten die Investitionen nach Angaben des Vorsitzenden des Afrikavereins, Stefan Liebing, sehr viel schneller in die Höhe schießen. Das ist politisch ausdrücklich erwünscht, weil die Bundesregierung die Schaffung von Jobs als Mittel zur Bekämpfung von Fluchtursachen sieht.

BEISPIEL FINANZIERUNG

Seit Jahren beklagen deutsche Firmen, dass sie gegenüber Konkurrenten aus Staaten wie China oder der Türkei einen gravierenden Nachteil haben, den auch Merkel einräumt. Ein Schwachpunkt, das räumte sie auf ihrer Westafrika-Reise offen ein, ist die Finanzierung von Geschäften. "In dieser Hinsicht sind andere Länder auf der Welt besser", sagte die Kanzlerin am Donnerstag in Ghana. "Die machen gar keine Angebote mehr, ohne dass sie die Finanzierung mitbringen. Das ist für das deutsche Denken etwas Neues."

Im Afrika-Geschäft fordert die Wirtschaft dabei vor allem eine bessere Absicherung der Risiken, die gerade von Mittelständlern noch als höher als etwa im China-Geschäft eingestuft werden. "Wir können nicht 100 Prozent des Risikos übernehmen", dämpfte Merkel im Senegal die Hoffnungen. Einen Tag später deutete sie aber an, dass sich die Bundesregierung noch vor der geplanten Afrika-Konferenz am 30. Oktober in Berlin bewegen will. "Wir müssen uns jetzt sicherlich bei der Hermes-Absicherung überlegen, ob die Risikoeinschätzung nicht zu hoch ist", sagte sie mit Blick auf die Exportabsicherung. Dass der Bedarf da ist, zeigt der starke Anstieg der Anfragen um 400 Prozent.

BEISPIEL ZÖLLE

In der klassischen Afrika-Debatte beklagen vor allem Nichtregierungs-Organisationen, dass sich die EU zu sehr abschotte. Allerdings gibt es für die meisten afrikanischen Staaten gar keine Zoll-Zugangsbeschränkungen für den EU-Binnenmarkt mehr. Das größere Problem ist eher die Erfüllung der umfangreichen anderen Bestimmungen, die die EU aufstellt - etwa bei Lebensmitteln.

Heute können aber umgekehrt Zollschranken der afrikanischen Staaten selbst die Entwicklung hemmen. In der versuchten Abwehr billiger Importe, die die heimische Wirtschaft kaputt machen, haben etliche Staaten Einfuhrzölle erhoben. Aber das Beispiel von VW in Ghana oder Nigeria zeigt, dass dies einen Nachteil hat: Wenn VW jetzt Rahmenvereinbarungen über den Bau von Montagewerken in beiden Ländern unterschrieben hat, dann wird das wohl nur verwirklicht, wenn die Einfuhr von Autoteilen nicht hoch belastet wird.

BEISPIEL EIGENTUM

Ghana ist auch ein Beispiel dafür, dass der Versuch der Regierungen, sich nicht mehr von ausländischen Investoren "übernehmen" zu lassen, seine Kehrseite hat. Präsident Nana Akufu-Addo verkündete stolz als Ziel, nicht mehr von Entwicklungshilfe abhängig sein zu wollen. Er will zudem "African ownership" bei Großprojekten - nachdem viele afrikanische Länder schlechte Erfahrungen etwa mit chinesischen Investoren gemacht haben, die sich Reichtümer der Länder sichern.

Allerdings zeigt das Beispiel eines Siemens-Kraftwerk-Projektes in Ghana, dass sich nun genau deshalb die Investition verschiebt. Die geforderte 51-Prozent-Beteiligung an einem Gaskraftwerk mit 660 Megawatt Leistung gefährdet die Investitionen von immerhin rund 600 Millionen Euro. Denn Banken akzeptieren den ghanaischen Anteil bei der Finanzierung nicht als Sicherheit. Immerhin versprach der Präsident, dass man nach einer kreativen Lösung suchen werde, um die bereits beim Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete Absichtserklärung endlich umzusetzen.

BEISPIEL PERFEKTIONISMUS

Mit den mitreisenden Wirtschaftsvertretern diskutierte Merkel in Senegals Hauptstadt Dakar bis tief in die Nacht über das Phänomen, dass deutsche Firmen oft zu perfektionistisch sind – und zu teure Lösungen für die Bedürfnisse der Entwicklungs- und Schwellenländern anbieten. Dies gilt vor allem, wenn der Staat helfend eingreifen will. Denn wenn etwa die Entwicklungshilfe Projekte fördern will, darf sie dies nur, wenn dabei die in Deutschland geltenden Standards eingehalten werden. Partnerländer winken teilweise aber, weil Deutschland auf zu starre Regeln pocht oder einen technischen Standard anbietet, der die Menschen in wenig entwickelten Volkswirtschaften schon bei der Wartung von Projekten überfordert und zu teuer ist.

Aber Merkels Eindrücke in Westafrika dürften nach Ansicht von Wirtschaftsvertretern nach ihrer Rückkehr zu einem neuen Nachdenken in der Bundesregierung führen - zumal zeitgleich Entwicklungsminister Gerd Müller in sieben Tagen Eindrücke aus acht afrikanischen Ländern sammelt. Ressortübergreifend werde man jetzt die Afrika-Strategie "im Lichte unserer internationalen Wettbewerber" neu ausrichten, kündigte die Kanzlerin zumindest an. Ergebnisse sollen dann für die Investoren-Konferenz am 30. Oktober vorliegen.

Siemens AG

WKN 723610 ISIN DE0007236101

Volkswagen AG

WKN 766400 ISIN DE0007664005

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039