Reuters

Türkei lockt deutsche Investoren - Bahn-Projekt rückt näher

25.10.2018
um 17:01 Uhr

Ankara (Reuters) - Trotz der zuletzt schwierigen Beziehungen wirbt die Türkei um weitere deutsche Investitionen.

"Die Türkei ist das sicherste und stabilste Land in der Region", sagte Finanzminister Berat Albayrak nach einem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Donnerstag in Ankara. "Ich hoffe, dass unsere Gespräche zum Ausbau des Handelsvolumens beitragen werden." Es gebe großes Potenzial – etwa im Energie- und Verkehrssektor. Möglich sei eine "Win-Win-Situation", sagte der Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern erreichte 2017 mit fast 38 Milliarden Euro ein Rekordniveau, leidet derzeit aber unter der türkischen Wirtschaftskrise. So brachen die deutschen Exporte im August wegen der Lira-Abwertung um mehr als ein Viertel ein.

Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist angespannt. Zuletzt hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende September bei einem Treffen mit Erdogan in Berlin erklärt, trotz des Willens zur Normalisierung der Beziehungen gebe es nach wie vor tiefgreifende Differenzen, etwa bei der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit. Sie hatte aber betont, Deutschland habe ein Interesse an einer wirtschaftlich stabilen Türkei.

Altmaier lobte die türkischen Maßnahmen im Kampf gegen die Währungskrise. "Wir sehen jetzt eine deutliche Entspannung und Stabilisierung", sagte der CDU-Politiker. Die Bundesregierung werde bei der wirtschaftliche Erholung helfen. Geldspritzen, wie sie etwa die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles ins Gespräch brachte, seien dabei kein Thema. "Finanzielle Hilfen sind weder in der Vergangenheit noch jetzt beantragt worden", sagte Altmaier. Sie stünden "auch jetzt nicht auf der Tagesordnung".

Als heißes Projekt gehandelt wird dagegen der Aufbau eines modernen Bahn-Hochgeschwindigkeitsnetzes in der Türkei mit deutschem Geld und Know-how. Ein Konsortium unter Führung von Siemens könnte hier den Zuschlag erhalten, um für mehr als 30 Milliarden Euro neue Strecken zu planen, alte zu elektrifizieren und moderne Signaltechnik zu installieren. Da viele Unternehmen wegen rechtlicher und wirtschaftlicher solch enorme Investitionen derzeit scheuen, wird Regierungskreisen zufolge über staatliche Exportbürgschaften nachgedacht. "Eine Entscheidung könnte in wenigen Wochen fallen", sagte ein Mitarbeiter der Bundesregierung.

Albayrak sagte, er und Altmaier würden über viele Projekte diskutieren, auch aus der Privatwirtschaft. Womöglich könnten schon am Freitag "ein oder zwei" Projekte unterschrieben werden. Der deutsche Gast trifft dann unter anderem die Industrie-, Energie- und Handelsminister.

Keine Versprechen machte Altmaier bei dem von der Türkei angestrebten Ausbau der Zollunion. Hier gebe es noch Gesprächsbedarf, der Prozess sei "nicht ganz einfach und recht mühsam". Die für Handelsfragen zuständige EU-Kommission müsse gemeinsam mit der Türkei "bestehende Hindernisse identifizieren und eine Roadmap zum Abbau festlegen". Die Zollunion ist bislang auf den Warenverkehr beschränkt. Würden Zölle und andere Hürden für den Agrar- und Dienstleistungssektor wegfallen, brächte das der türkischen Wirtschaft frischen Schwung. Wegen Rückschritten bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit lehnt die EU den Ausbau aber bislang ab.

Altmaier ließ durchblicken, dass er mit Albayrak auch über Menschenrechte gesprochen habe: "Es gibt auch Fragen, die man sinnvollerweise unter Freunden bespricht und versucht zu lösen und nicht in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert."

Siemens AG

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