Reuters

Wie Altmaier die Beziehungen zur Türkei kitten will

26.10.2018
um 11:01 Uhr

- von Rene Wagner

Ankara (Reuters) - Sein erstes Jahr als Geschäftsführer hat sich Bülent Akgöl etwas leichter vorgestellt.

Seit Februar leitet er den Buszulieferer FarHym, die türkische Tochter des Allgäuer Unternehmens Hymer-Leichtmetallbau. Kaum im Amt, machte die Türkei mit einer Währungskrise, heftiger Inflation und Konjunkturflaute Schlagzeilen. "Das ist kein leichtes Jahr", gibt der früher für Mercedes tätige Manager offen zu. Ans Verkleinern, Verlagern oder gar Aufgeben aber hat er nicht gedacht. "Nicht eine Sekunde", sagt der Geschäftsführer.

Es sind Unternehmen wie FarHym, wegen denen sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier am Donnerstag auf den Weg zu einem zweitägigen Arbeitsbesuch in die Türkei gemacht hat. "Wir müssen um das deutsch-türkische Verhältnis kämpfen", begründet der CDU-Politiker seinen Ausflug nach Ankara. Ob die Affäre um das Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan oder die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel - die Beziehungen zwischen beiden Ländern haben in den vergangenen Jahren gelitten. Als Wirtschaftsminister sorgt sich Altmaier naturgemäß besonders um die vielen deutschen Unternehmen wie FarHym, die in der Türkei aktiv sind und die sich Kooperation statt Konfrontation zwischen Berlin und Ankara wünschen.

Mehr als 6500 sind es. Sie beschäftigen etwa 120.000 Mitarbeiter und haben einen Kapitalstock von knapp zehn Milliarden Euro in der Türkei aufgebaut. Mit seinen fast 80 Millionen Einwohnern ist das Land nicht nur ein attraktiver Absatzmarkt, sondern auch ein gefragter Produktionsstandort - auch wegen der Nähe zum Nahen und Mittleren Osten sowie gut ausgebildeter Fachkräfte.

FarHym ist deshalb bereits seit 2003 in der Türkei aktiv, betreibt dort zwei Werke und setzt jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag in Euro um. Die in Spitzenzeiten 250 Mitarbeiter bauen beispielsweise Innenverkleidungen und Gepäckablagesysteme für Bushersteller wie MAN. Der Verfall der Lira, die in diesem Jahr zeitweise um 40 Prozent zum Dollar abgewertet hat, erschwert das Geschäft. "Wir kaufen sehr viele Teile zu", sagte Manager Akgöl. "Die Preise werden in jährlichen Verhandlungen festgelegt. Ein Großteil wird in Euro bezahlt."

AKTE MIT HOHEM SYMBOLWERT

Wie FarHym ergeht es vielen Unternehmen. Die Währungsabwertung macht das Geschäft teurer und erschwert die Planbarkeit. "Unternehmen, die vor Ort investiert haben, halten derzeit an ihren Engagements fest", sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben. "Bei Neuinvestitionen gibt es gleichwohl keinerlei Schwung." Das liegt auch daran, dass die Kreditkosten in die Höhe geschnellt sind. Zwischen 25 und 35 Prozent wurden zeitweise für Darlehen verlangt. FarHym hat dennoch die Anschaffung einer neuen Lackierkabine im Wert von 200.000 Euro gestemmt. "Unsere deutsche Mutter hat uns dabei unterstützt", betont Akgöl.

Die Wirtschaft hat Altmaier einen langen Wunschzettel mit auf den Weg gegeben. Darauf ganz oben stehen ein verbesserter Marktzugang, Rechtssicherheit oder ein Ende des Zwangs, mindestens 80 Prozent der Exporterlöse in türkische Lira zu konvertieren. Altmaier will nicht nur im direkten Gespräch mit den Ministern für Finanzen, Handel, Energie und Industrie um bessere Wirtschaftsbeziehungen werben. Das Eis will er auch durch Akte mit hohem Symbolwert brechen: Gleich zu Beginn legt der Saarländer einen Kranz am Mausoleum für Staatsgründer Atatürk nieder. Später trifft er sich mit Parlamentspräsident Binali Yilderim dort, wo der gescheiterte Putsch 2016 begann.

Manager Akgöl hofft darauf, dass Altmaier mit solchen Gesten Erfolg hat und frischen Wind in die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen bringt. Dann, so hofft der Manager, verläuft sein zweites Jahr als Geschäftsführer von FarHym vielleicht etwas ruhiger.

MAN SE

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