Reuters

Hürdenlauf an die Börse - Covestro braucht länger

01.10.2015
um 14:51 Uhr

- von Kathrin Jones und Arno Schuetze und Patricia Weiss

Frankfurt (Reuters) - Die einen feiern schon, die anderen zittern noch: Während der Online-Anzeigenbetreiber Scout24 am Donnerstag den Sprung auf das Börsenparkett schaffte, strich der Pharmakonzern Bayer die Börsenpläne für seine Kunststoffsparte Covestro deutlich zusammen.

Wegen der schleppenden Nachfrage werden jetzt weniger Aktien zu einem geringeren Preis angeboten, wie Covestro mitteilte. Das Emissionsvolumen schrumpft damit auf 1,5 Milliarden Euro, ursprünglich sollten es 2,5 Milliarden sein. Die Anleger bekommen etwas mehr Zeit, die Aktien zu zeichnen. Der Titel des größten Börsengangs in Deutschland seit dem Boom-Jahr 2000 ist damit weg. Auch der Autozulieferer Schaeffler erwägt Insidern zufolge, seinen eigentlich für Montag geplanten Börsengang zu verschieben und das Volumen zu verkleinern.

In Sachen Covestro brüteten die Investmentbanker am Mittwoch bis spät in die Nacht über "Plan B": Denn trotz mehrfachen Nachhakens waren die großen Investoren in New York, London und Frankfurt nicht bereit, Covestro-Aktien zum ursprünglichen Preis von 26,50 bis 35,50 Euro zu zeichnen. Bayer will die Abspaltung aber unbedingt vorantreiben und kommt den Anlegern entgegen: Die neue Preisspanne für bis zu 69,8 Millionen Papiere liegt bei 21,50 bis 24,50 Euro. Finanzkreisen zufolge ist das Orderbuch zu den neuen Konditionen endlich gefüllt. Die Erstnotiz ist nun für den 6. Oktober geplant, zwei Werktage später. Bayer-Chef Marijn Dekkers sieht den abgespeckten Börsengang nicht als Niederlage. Der "WirtschaftsWoche" sagte er: "Covestro ist sehr sexy und wenn Investoren zögerten, dann nicht wegen Covestro, sondern wegen des allgemeinen Marktumfelds. Deshalb haben wir denen, die zeichnen wollen, den Einstieg jetzt noch mal erleichtert."

"DAS PASST GERADE SO"

Investoren argumentieren anders. Das Auf und Ab an den Märkten, etwa beim Dax, sorgt im Moment zwar für Unruhe. So liegt der Volatilitätsindex VDax bei über 30 Punkten. Schon Werte über 20 bereiten Investmentbankern Kopfzerbrechen. Doch Fondshäuser, die von Börsenkandidaten umworben werden, machen einen klaren Unterschied zwischen solchen Unternehmen, die stark an der Konjunktur hängen, und solchen mit einem relativ robusten Geschäftsmodell. Das bestätigt auch Banker Joachim von der Goltz, der bei Credit Suisse Firmen berät, die einen Börsengang planen: "Investoren wollen aufgrund der höheren Volatilität bei Börsenkandidaten eine Berücksichtigung beim Preis sehen. Insgesamt sind sie risikoaverser geworden. Unternehmen, die nicht so stark von der Konjunktur abhängen, haben es in diesem Marktumfeld eindeutig leichter."

Bei Covestro - die Firma fertigt Vorprodukte für die Auto-, Möbel- und Bauindustrie - forderten die Anleger auch deshalb einen Rabatt, weil ein großer US-Rivale erst am Freitag eine Gewinnwarnung veröffentlicht hatte und es nun verstärkt Sorgen vor einem Nachfrageeinbruch gibt. "Das untere Ende passt gerade so", sagte ein Fondsmanager, der nun einen kleinen Anteil an Covestro zeichnen will. Das Geld aus dem Börsengang soll in den Abbau der Schulden fließen, die Covestro bei der Mutter hat. Damit der Verschuldungsgrad wegen des niedrigeren Emissionserlöses nicht aus dem Ruder läuft, schießt Bayer noch einmal eine Milliarde Euro Eigenkapital nach. Mit 66,7 bis 69,6 Prozent hält der Pharmariese zunächst auch noch einen etwas größeren Anteil an der Tochter als eigentlich vorgesehen war. Mittelfristig ist der Komplettausstieg geplant.

SCHLECHTES TIMING FÜR SCHAEFFLER

Noch schwieriger sieht es für Schaeffler aus. Der Auto- und Industriezulieferer schraubt Insidern zufolge seine Börsenpläne im Schatten des VW-Abgasskandals womöglich zurück. Die Erstnotierung werde nicht wie geplant am Montag, sondern voraussichtlich einige Tage später stattfinden, sagten drei mit den Vorbereitungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. Zudem werde in Betracht gezogen, den Anteil zu reduzieren, der an die Börse gebracht werden soll. Am Preis wolle Schaeffler keine Abstriche machen. Sollte der Börsengang in Kürze vollzogen werden, werde die Preisspanne am Freitag oder Anfang nächster Woche bekannt gegeben. Es sei jedoch auch möglich, dass Schaeffler seinen Gang an den Aktienmarkt um einige Monate verschiebe. Einem Insider zufolge wollte Schaeffler eigentlich deutlich mehr als 2,5 Milliarden Euro einnehmen.

Für Überraschung sorgte in dieser Woche schon die Container-Reederei Hapag-Lloyd, die stets im Windschatten der Weltwirtschaft segelt. Der Konzern plant jetzt statt der erwarteten Milliardentransaktion nur ein Mini-IPO - offenbar ebenfalls, um auf Nummer sicher zu gehen.

Den Online-Kleinanzeigenbetreiber Scout24 lässt dies alles relativ kalt. Vorstandschef Greg Ellis läutete am Donnerstag die Börsenglocke und war in bester Stimmung: "Der jetzige Zeitpunkt war genau richtig", sagte er. "Wir haben von den Anlegern ein sehr positives Echo bekommen." Auch hier fließt das Geld in den Schuldenabbau. Scout24 bekommt vom Emissionserlös von 1,16 Milliarden Euro aber nur knapp 230 Millionen dafür ab. Kasse machen vor allem die Alteigner, die allerdings an Bord bleiben. Eine Dividende ist vorerst nicht in Sicht. Trotzdem griffen genug Investoren in der Mitte der Preisspanne zu: Die Aktie wurde zu 30 Euro platziert und startete mit 30,75 Euro sogar darüber.

Bayer AG

WKN BAY001 ISIN DE000BAY0017

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039