Reuters

Autolobby bittet Politik um Milde im VW-Abgasskandal

02.10.2015
um 14:01 Uhr

Frankfurt/Brüssel (Reuters) - Die europäischen Autobauer haben angesichts des Skandals um manipulierte Diesel-Abgaswerte bei Volkswagen vor einer Überreaktion der Politik gewarnt.

"Wir sollten Maßnahmen vermeiden, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Branche untergraben", erklärte der Präsident des europäischen Autoverbandes ACEA, Renault-Chef Carlos Ghosn, in einem Reuters vorliegenden Brief an den EU-Industrieministerrat. Schließlich stehe die Autoindustrie für gut zwölf Millionen Arbeitsplätze in Europa. Auch BMW-Chef Harald Krüger warnte am Freitag davor, den Technologiestandort Deutschland und seine Schlüsselindustrie infrage zu stellen. "Ein Generalverdacht ist fehl am Platz", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Verbraucherschützer forderten dagegen, die Angaben der Hersteller zu Abgas- und Verbrauchswerten besser zu regulieren und zu kontrollieren.

Wie aus dem Schreiben des ACEA hervorgeht, fürchtet die Autoindustrie, dass wegen des Abgasskandals die gerade noch verhandelten Vorgaben zum neuen Messverfahren "Real Driving Emssions" (RDE) verschärft werden. Die Frage, wie Emission realistischer gemessen werden könnten, dürfte nicht vermischt werden mit den Abgas-Manipulationen von VW, appellierte Ghosn in dem Brief. Er äußerte in dem Schreiben den Verdacht, die USA wollten mit ihrem Vorgehen im Abgasskandal die Marktführerschaft der Europäer bei Diesel-Autos attackieren. Mit dem neuen Verfahren sollen die Schadstoffwerte auch im Straßenbetrieb und nicht länger nur auf dem Rollenprüfstand gemessen werden. Denn bisher ist die gemessene Schadstoffbelastung nur im Labor unter den Grenzwerten, während Autos im Fahrbetrieb ein Mehrfaches des Erlaubten ausstoßen. Mit RDE soll diese Kluft verringert werden.

"Autokäufer können sich nicht auf die Angaben der Hersteller verlassen", monierte Klaus Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Um Verbraucher künftig vor Täuschung und Schaden zu schützen, muss jetzt gehandelt werden." Er forderte einen Runden Tisch mit Vertretern von Autobauern, Händlern, Politik und Verbrauchern mit dem Ziel, eine bessere Regulierung aus ausreichende Kontrollen zu erreichen.

Die EU-Kommission will unterdessen die neuen Messverfahren schneller, nämlich bis Ende des Jahres verabschieden. Sie sollen für alle Neufahrzeuge ab Herbst 2018 gelten. Der ACEA kündigte in dem Schreiben an, die Hersteller könnten das erst bis September 2019 schaffen. BMW-Chef Krüger erklärte dagegen, die Auto-Konzerne müssten täglich am Vertrauen ihrer Kunden arbeiten. Dazu gehöre auch, "dass wir uns ohne Wenn und Aber an die Vorgaben der Politik halten".

US-UMWELTAMT PRÜFT AUCH BMW UND DAIMLER

Der Wolfsburger Konzern muss in der kommenden Woche Behörden und Politik in Deutschland und den USA Informationen zu Ursachen und Folgen der Abgasmanipulation liefern. Bis zum 7. Oktober muss VW das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen Plan vorlegen, bis wann die betroffenen Fahrzeuge in Deutschland die Abgas-Vorschriften ordnungsgemäß einhalten. Die Schweiz hat ein Zulassungsverbot für die betroffenen VW-Modelle ab Montag verhängt. In den USA, wo die Manipulation von der Umweltbehörde EPA am 18. September aufgedeckt worden war, soll am 8. Oktober vor einem Ausschuss des Repräsentatenhauses US-Volkswagenchef Michael Horn den Politikern Rede und Antwort stehen. Zu der Anhörung kommen auch Vertreter der EPA. Die Behörde nimmt sich nach einem Bericht der "Financial Times" nun auch Diesel-Modelle von BMW, Mercedes, Chrysler, General Motors und Land Rover vor, um zu prüfen, ob auch andere Hersteller betrogen haben. Das Bundesverkehrsministerium bekräftigte, keine Hinweise auf Manipulationen bei anderen Autobauern zu haben.

In Europa weiteten sich am Freitag Untersuchungen der Behörden aus: Die Staatsanwaltschaft Paris begann Vorermittlungen wegen schweren Betrugs gegen Volkswagen. Das Verbraucherschutzgesetz sieht für diesen Fall bis zu fünf Jahre Haft und 600.000 Euro Geldstrafe vor. In Italien kündigte die Wettbewerbsbehörde eine Untersuchung an, ob Verbraucher beim Autokauf durch die angegebenen Emissionswerte getäuscht wurden.

Bayerische Motoren Werke AG

WKN 519000 ISIN DE0005190003

General Motors Co.

WKN A1C9CM ISIN US37045V1008

Mercedes-Benz Group AG

WKN 710000 ISIN DE0007100000

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039