Reuters

May beantragt Brexit-Aufschub - EU-Partner stellen Bedingungen

20.03.2019
um 17:07 Uhr

- von Elizabeth Piper und Guy Faulconbridge

London (Reuters) - Auch nach dem britischen Antrag auf Verschiebung des geplanten Austrittstermins um drei Monate bleibt die Gefahr eines ungeregelten Brexits am 29. März groß.

Die EU-Kommission forderte den am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel auf, wegen der Europawahl nur einer Verlängerung bis zum 23. Mai oder bis Ende des Jahres zuzustimmen. Frankreichs Außenminister Jean-Yves le Drian erklärte, ohne eine Garantie von Premierministerin Theresa May, dass sie ihr Abkommen doch noch durchs Parlament bringen werde, werde der Gipfel einen Aufschub ablehnen. "Unsere Botschaft ist eindeutig: ratifiziert das Abkommen oder tretet ohne Abkommen aus", sagte er vor Abgeordneten. Einer Verschiebung des Austrittstermins müssen alle 27 EU-Partner zustimmen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker brachte bereits einen Sondergipfel in der kommenden Woche ins Gespräch.

Neun Tage vor dem geplanten Austrittstermin reichte May bei der EU den erwarteten Antrag auf den Brexit-Aufschub ein. In einer turbulenten Unterhaus-Sitzung sagte May, sie sei nicht bereit, den Austritt über den 30. Juni hinaus zu verschieben. Die Regierung plane, nach dem EU-Gipfel einen dritten Anlauf zu unternehmen, für ihren Brexit-Vertrag im Unterhaus eine Mehrheit zu bekommen. Sollte diese zustande kommen, werde die Verschiebung dem Unterhaus Zeit verschaffen, die Ausführungsgesetze zu beraten. "Wenn nicht, wird das Unterhaus entscheiden müssen, wie es weitergehen soll." Die Verschiebung des Brexits schließe die Option eines ungeregelten Austritts nicht aus.

May ist mit ihrem Brexit-Vertrag schon zwei Mal im Unterhaus gescheitert, und eine Mehrheit ist weiter nicht in Sicht. Angesichts dessen hatte das Parlament vergangene Woche die Regierung aufgefordert, einen Aufschub zu beantragen, um einen ungeregelten Brexit mit unabsehbaren wirtschaftlichen und politischen Folgen zu vermeiden.

KOMMISSION SIEHT EUROPAWAHL ALS STOLPERSTEIN

Kommissionspräsident Juncker habe May in einem Telefonat am Morgen darauf hingewiesen, dass Großbritannien bei einer Verlängerung der EU-Mitgliedschaft über den 23. Mai hinaus an der Wahl teilnehmen müsse, sagte eine Kommissionssprecherin. May sagte dazu im Unterhaus und in ihrem Antrags-Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk, niemand habe ein Interesse daran, dass Großbritannien an der Europawahl teilnehme. Die Vorstellung, dass in Großbritannien neue Europa-Abgeordnete gewählt würden, sei inakzeptabel.

Großbritannien muss bis zum 11. April entscheiden, ob es an der Wahl teilnimmt. Damit ist dieses Datum praktisch der letzte Termin, bis zu dem das Unterhaus dem Brexit-Abkommen zugestimmt haben muss.

LABOUR SPRICHT VON ERPRESSUNG

Abgeordnete der oppositionellen Labour-Partei warfen May "Erpressung, Nötigung und Bestechung" vor. Mit ihrem Antrag auf einen nur kurzen Aufschub zwinge sie die Abgeordneten, sich zu entscheiden zwischen der Annahme des zwei Mal abgelehnten Abkommens oder dem ungeregelten Brexit. Labour will den Verbleib des Landes in der Zollunion und darüber hinaus eine enge Ausrichtung an der EU. Die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei sperren sich gegen einen längeren Aufschub, weil sie darin die Gefahr sehen, dass es dann keinen Brexit geben könnte. Einer von ihnen erklärte, der Antrag auf Verschiebung sei Verrat am britischen Volk. Die Briten hatten im Juni 2016 in einem Referendum mit 52 gegen 48 Prozent für den EU-Austritt gestimmt.

Die Bundesregierung begrüßte den "klaren Antrag" Großbritanniens. Nun müssten die Verhandlungen auf dem Gipfel abgewartet werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert unter Verweis auf die nötige Einstimmigkeit. Ein ungeregelter Brexit sei in Niemandes Interesse. Außenminister Heiko Maas monierte, mit dem Antrag allein sei das Problem nicht gelöst, sondern allenfalls aufgeschoben. Die 27 übrigen EU-Mitglieder würden daher am Donnerstag eine Entscheidung über das weitere Prozedere fällen.

Die EU-Kommission forderte die Staats- und Regierungschefs auf, sich zwischen einer Verschiebung bis zum Beginn der Europawahl am 23. Mai oder bis zum Jahresende zu entscheiden. Die EU sollte nur einen neuen Austrittstermin anbieten, da ansonsten die Ungewissheit auf unbestimmte Zeit verlängert werde, heißt es in einem Kommissionspapier, das Reuters einsehen konnte.

Während Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und der schwedische Regierungschefs Stefan Löfven Zustimmung für eine Verlängerung der Frist signalisierten, verwies der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen darauf, dass bei den EU-Partnern der Unmut über das Vorgehen der Briten wachse. Juncker sagte im Deutschlandfunk: "Meine Einschätzung heute Morgen 08.15 Uhr ist, dass wir diese Woche nicht zu Potte kommen, sondern uns nächste Woche noch einmal treffen müssen." Solange nicht klar sei, "wozu Großbritannien Ja sagen könnte, können wir auch zu keiner Beschlussfassung kommen", sagte Juncker und gab sich unnachgiebig. "Das Ende der Fahnenstange ist erreicht." Die EU habe sich intensiv auf Großbritannien zubewegt. Es gebe keine Nach- oder Neuverhandlungen und auch keine weiteren Zusatzversicherungen.