Reuters

Große Koalition streitet bei Rüstungsexporten auf drei Ebenen

29.03.2019
um 10:27 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Als Außenminister Heiko Maas am 6. März die Verlängerung des Moratoriums für deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien bis Ende des Monats verkündete, verschaffte er der Regierung nur eine kurze Atempause.

Denn nun müssen Union und SPD bis Sonntag klären, wie sie weiter vorgehen wollen. Am Mittwoch scheiterte ein Einigungsversuch im Bundessicherheitsrat. Das Problem: Die Koalition muss beim heiklen Thema Rüstungsexporte gleich drei Hürden gleichzeitig aus dem Weg räumen - die zwar zusammenhängen, aber bei der jeweils andere Akteure mitdiskutieren.

SAUDI-ARABIEN

Kurzfristig muss die Frage geklärt werden, ob das Verbot von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien wie von der SPD gefordert um sechs Monaten verlängert werden soll. Unter dem Moratorium werden keine neuen Ausfuhrgenehmigungen für den Golfstaat erteilt. Firmen sind aber auch gebeten worden, die Ausfuhr bereits genehmigter Projekte zu stoppen. Einigt sich die Koalition bis Sonntag nicht, würde die Vereinbarung am 1. April auslaufen. Aber dies erwartet niemand. Denn SPD-Chefin Andrea Nahles steht unter dem Druck einer sehr kritischen SPD-Fraktion.

Denn Im Koalitionsvertrag werden Lieferungen an Kriegsparteien im Jemen ausgeschlossen - und das Moratorium hatte auch Kanzlerin Angela Merkel mit dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi begründet. SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich argumentiert nun, dass es in beiden Themen keine neue Sachlage gebe - also auch der Exportstopp bleiben müsse. Doch die Industrie sowie EU-Partnerstaaten wie Frankreich, Großbritannien und Spanien dringen auf eine zumindest teilweise Aufhebung. Denn Deutschland blockiert mit dem einseitig verkündigten Exportstopp auch bereits genehmigte Lieferungen von Gemeinschaftsprojekten wie den Eurofighter. Firmen deuten an, dass ihre Geduld erschöpft ist und sie gegen die Bundesregierung klagen wollen. Auf dem Spiel stehen Schadensersatzforderungen über rund zwei Milliarden Euro.

Als mögliche Kompromisslösungen werden nach Informationen von Reuters aus Koalitionskreisen vor allem zwei Varianten gehandelt. Danach könnte die SPD ein weiteres Moratorium bis Oktober bekommen, wenn sie Ausnahmen akzeptiert. Briten, Franzosen und Spanier pochen auf die Freigabe zumindest von bereits genehmigten Waffenlieferungen, in denen deutsche Teile verbaut werden.

DEUTSCH-FRANZÖSISCHE PROJEKTE

Zweite Ebene des Streits ist die deutsch-französische Vereinbarung über die gemeinsame Entwicklung eines Kampfjets und Panzers. Angesichts des unilateralen Vorgehens Deutschlands in Rüstungsexportfragen pocht Paris auf Zusagen, dass der Export dieser milliardenschweren Entwicklungen nicht blockiert wird. Wie verärgert man in Paris mittlerweile über die SPD ist, zeigt vor allem die ungewöhnlich öffentliche Kritik der französischen Botschafterin in Berlin.

Im Prinzip will zwar auch die SPD die gemeinsame europäische Entwicklung von Waffensystemen. Aber sie lehnt nach Angaben aus Fraktionskreisen eine Art Freifahrtschein ab, in der die Bundesregierung heute Einspruchsrechte über künftige Rüstungsexporte abgeben soll. Denn auch dann könnte es um Lieferungen in die finanzkräftigen Golfstaaten gehen, räumt man auch auf französischer Seite durchaus ein. Deshalb wird auch hier eine sogenannte "de-minimis"-Regel diskutiert. Danach gäbe es erst ab einem bestimmten Prozentanteil deutscher Komponenten in Waffensysteme Einspruchsrechte.

Dies ist allerdings aus Sicht der Industrie heikel: "Je höher dieser Wert liegt, desto eher haben deutsche Firmen künftig die Chance, an den geplanten europäischen Rüstungsprojekten beteiligt zu werden", sagt ein Industrievertreter. Im Umkehrschluss gilt aber: Wird der Prozentsatz zu niedrig gewählt, werden deutsche Firmen keine Systempartner in europäischen Projekten mehr sein.

DEUTSCHE EXPORTRICHTLINIEN

Dritter Streitpunkt ist die im Koalitionsvertrag vorgesehene Verschärfung der Rüstungsexport-Richtlinien. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Mittwoch, dass die Bundesregierung eine restriktive Exportpolitik verfolge. Letztlich müsse es aber immer eine Abwägung zwischen angestrebten europäischen Rüstungskooperationen und dem Wunsch nationaler Export-Entscheidungen geben.

Hier haben sich Unions- und SPD-Ministerien jedoch verhakt. Während aus der SPD Vorwürfe kommen, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müsse endlich einen Entwurf liefern, verweist das Wirtschaftsministerium darauf, dass es schon am 25. Januar dem Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungsministerium sowie dem Kanzleramt ein Papier zugeschickt habe. Seither blockiere vor allem das SPD-geführte Außenministerium weitere Absprachen, wird in der Union kritisiert. Kleiner Trost: Auf beiden Seiten der Koalition und auch bei den EU-Partnern wird betont, dass die Regierung zumindest dieses dritte Problem nicht bis zum Sonntag lösen müsse.

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