Reuters

Kampf gegen Rechtspopulismus dominiert Europawahlkampf

21.05.2019
um 08:12 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Das politische Erdbeben in Österreich zieht nicht nur Kreise in dem Alpenland.

Wenige Tage vor der Europawahl stellt sich die Frage, ob der Sturz von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht auch die Wahlen in den anderen EU-Staaten beeinflussen wird. Jedenfalls ist seit dem Wochenende das Thema "Umgang mit den Rechtspopulisten" auch in Deutschland ganz oben auf die Agenda gerückt. Nur ist umstritten, wer davon bei der Europawahl profitieren wird.

Die österreichische Onlineplattform Oe24 berichtete am Montag über eine Blitzumfrage des Instituts Research Affairs, nach der die FPÖ um fünf Punkte auf 18 Prozent abstürzt und Kanzler Sebastian Kurz mit seiner ÖVP um vier Punkte auf 38 Prozent zulegen kann. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, erwartet allerdings eine ganz andere Entwicklung - auch in Deutschland. "Mein Eindruck ist, dass die Rechtsradikalen keinen Schaden nehmen werden", sagt er. Denn die FPÖ gebe sich als Opfer und verbreite Verschwörungstheorien. Deshalb erwartet er eher eine Mobilisierung der FPÖ-Anhänger. "Auch die AfD in Deutschland wird profitieren."

Tatsächlich hat AfD-Chef Jörg Meuthen bereits Verteidigungslinien aufgebaut. Zum einen betonte er auf Twitter: "Das ist ein innerösterreichischer Vorgang, der mit der AfD gar nichts zu tun hat." Zum anderen schürt auch er den Verdacht, dass die Video-Enthüllung über Straches Äußerungen gezielt vor der Europawahl verbreitet worden sei - was die Opfer-Rolle unterstreicht. Schon zuvor hatte sich etwa in deutschen Umfragen gezeigt, dass die AfD-Anhängerschaft offenbar relativ unberührt auf Spendenskandal-Vorwürfe gegen die Partei reagiert.

Die Frontstellung "moderate Parteien gegen Rechtsaußen" hatte sich schon am Wochenende angekündigt. Kanzlerin Angela Merkel rief bei ihrem einzigen Auslands-Wahlkampfauftritt für die konservative Parteienfamilie EVP in Zagreb zum Kampf gegen Rechtspopulisten auf. "Patriotismus und die Europäische Union sind kein Gegensatz. Der Nationalismus ist der Feind des Europäischen Projektes", betonte sie vor dem Hintergrund der Vorgänge in Wien. Gleichzeitig tagten in Mailand aber auch die Vertreter mehrerer europäischer Rechtsaußen-Parteien, die selbstbewusst den Kampf gegen Migration und die EU-Institutionen ankündigten.

WER PROFITIERT VON DEM FPÖ-SKANDAL?

Auch innerhalb des moderaten Parteienspektrums sind die Auswirkungen unklar. "Wer hat denn Strache zum Vize-Kanzler gemacht?" stichelte SPD-Chefin Andrea Nahles schon am Wochenende auf Twitter in Richtung CDU und EVP. Auch Grüne und Linke werfen vor allem der CSU und Österreichs ÖVP vor, mit einer mangelnden Abgrenzung zum Aufkommen der Rechtspopulisten beigetragen zu haben. In den beiden angesprochenen Parteien wird dezent darauf verwiesen, dass aber auch Österreichs Sozialdemokraten im Burgenland mit der FPÖ koalieren. Sowohl die ÖVP in Wien als auch die SPÖ im Burgenland kündigten zwar jetzt vorgezogene Neuwahlen an - brachen aber nicht endgültig mit ihrem Koalitionspartner FPÖ.

Dabei hatte EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber selbst eine politische Frontenbegradigung mit Blick auf seine eigene Glaubwürdigkeit und die schwierigen Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament vorgenommen. Nach langen Jahren allenfalls moderater Kritik an Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban stimmte Weber ebenfalls für ein Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission gegen Ungarn und sprach sich für die Suspendierung von dessen Fidesz-Partei aus der EVP aus. Am Sonntagabend distanzierte er sich in der ARD-Sendung "Anne-Will" klar von Rechtsaußen.

Schon in Zagreb hatte Weber betont, dass er sich auf keinen Fall mit den Stimmen rechter Parteien zum EU-Kommissionspräsidenten wählen lassen werde. Diese Festlegung gilt als Voraussetzung dafür, dass Sozialdemokraten und Grüne im europäischen Parlament überhaupt bereit sein könnten, für ihn als EU-Kommissionspräsidenten zu votieren. "Ich werde gegen alle kämpfen, die Europa zerstören werden - die Nationalisten, Populisten", versprach Weber in Zagreb kämpferisch.

"Natürlich hoffen wir, dass das jetzt einen Pusch, einen pro-europäischen Pusch gibt in ganz Europa", fasste SPD-Chefin Nahles die Hoffnung der Mitte-Parteien zusammen. "Es ist nicht patriotisch oder freiheitlich, sein Land, seine Presse oder öffentliche Aufträge an fremde Mächte zu verkaufen", betonte auch FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg und spielte auf die kritisierte Moskau-Nähe vieler Rechtsaußen-Parteien an. "Nur mit einer ganz klaren Abgrenzung von rechts können auch die moderaten Parteien ihre eigenen Wähler mobilisieren", sagt auch Forsa-Chef Güllner.