Reuters

Flickenteppich an Regeln erschwert Kampf gegen Geldwäsche

03.06.2019
um 14:42 Uhr

- von Hans Seidenstuecker

Frankfurt (Reuters) - Fast jede Woche sorgt ein Geldwäsche-Skandal in Europa für Aufsehen.

Für die Banken steht viel auf dem Spiel: Bei Verstößen drohen Milliardenstrafen und im Extremfall die Schließung des Instituts. Doch ein Flickenteppich an Regeln erschwert den Kampf gegen Geldwäsche - selbst innerhalb der Europäischen Union (EU). "Dass es bislang noch keine einheitlichen Regelungen gab, hat vor allem einer Gruppe genutzt: den Gesetzesbrechern", stellt Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch fest.

Zwar hat die Staatengemeinschaft in den vergangenen Jahren die Vorgaben immer weiter verschärft. Doch die EU-Geldwäscherichtlinien wurden von den einzelnen Staaten ganz unterschiedlich in nationales Recht umgesetzt. Selbst die Anforderungen zur Identifizierung und Behandlung der Kunden - im Fachjargon "Know your Customer" genannt - weichen je nach EU-Mitgliedsstaat voneinander ab, obwohl gerade diese Regeln eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Geldwäsche spielen. Sie sollen verhindern, dass Kriminelle sich hinter falschen Identitäten oder komplexen Firmenstrukturen verstecken, um Geld zu waschen.

"Die von Kunden zu erhebenden Angaben und die zulässigen Verfahren für die Überprüfung der Angaben können sich deutlich unterscheiden", bemängelt Tobias Frey, Geldwäsche-Experte beim Privatbankenverband BdB. So reicht etwa in Österreich der Führerschein als Ausweisdokument aus, in Deutschland müssen Kunden zwingend Pass oder Personalausweis vorlegen. Auch wie Dokumente auf ihre Echtheit überprüft werden, unterscheidet sich innerhalb der EU. In Großbritannien etwa reicht die Foto-Identifikation - ein Verfahren, das der deutschen Finanzaufsicht Bafin im Gegensatz zur Video-Identifikation nicht sicher genug ist, da dabei einige Sicherheitsmerkmale wie Hologramme nicht überprüft werden können.

Mit dem Überprüfen der Ausweise ist es aber nicht getan. "In jedem einzelnen Land gelten komplett unterschiedliche Anforderungen für die Kundenidentifizierung", beklagt ein Geldwäschebekämpfer eines Geldhauses. Bei jedem Kunden muss sich die Bank einen Überblick über die Risiken verschaffen - gerade bei Firmenkunden ein erheblicher Aufwand. Woher stammt das Vermögen des Kunden? Welche Einkommensquellen hat er? Welche Risiken gibt es in der Branche des Kunden? 15 eng bedruckte Seiten an Fragen gilt es abzuarbeiten, wie der Geldwäschebekämpfer erläutert.

So sollen dubiose Firmen und Personen frühzeitig auffallen - möglichst bevor sie überhaupt zum Bankkunden werden. Doch zu oft wurde hier in der Vergangenheit geschlampt. Welcher Mitarbeiter hat schon Lust auf Bürokratie, die vermeintlich lukrative Geschäfte vereitelt?

16 MILLIARDEN DOLLAR AN STRAFEN - TENDENZ STEIGEND

Nachlässigkeit können sich die Geldhäuser aber immer weniger leisten. Mehr als 16 Milliarden Dollar mussten europäische Banken zwischen 2012 und 2018 an Strafen wegen Geldwäsche, Sanktionsverstößen und Schwächen ihrer Kontrollsysteme zahlen, ergab eine Analyse der Ratingagentur Moody's. Zudem sind Kunden und Investoren immer weniger bereit, Risiken zu tolerieren und Verfehlungen zu vergeben. "Die Schließung einiger kleiner Banken im Baltikum, in Malta und anderswo zeigt, dass ein Geschäftsmodell sich schnell als untragbar erweist, wenn Kunden, Geschäftspartner, Dienstleister und letztendlich die Aufseher das Vertrauen in eine Bank verlieren", warnen die Experten der Ratingagentur Standard & Poor's. Auch für große Banken kann der Schaden erheblich sein, wie nicht zuletzt der Absturz der Deutschen-Bank-Aktie nach der Geldwäsche-Razzia im November vor Augen geführt hat.

Die Folge: Trotz steigenden Kostendrucks sind es goldene Zeiten für Geldwäsche-Bekämpfer, seit Jahren stocken die Banken ihre entsprechenden Abteilungen auf. Allein die Deutsche Bank hat nach Angaben von Rechtsvorstand Karl von Rohr die Zahl der Mitarbeiter, die Geldwäsche und andere Formen der Finanzkriminalität bekämpfen, seit Anfang 2015 auf rund 1500 verdreifacht. Mit der einmaligen Identifikation eines Kunden ist es schließlich nicht getan. Transaktionen müssen überwacht und Kunden regelmäßig überprüft werden - Hochrisikokunden öfter als Otto-Normalverbraucher.

Doch selbst die Kriterien, wann bei einem bestimmten Kunden von einem geringen, einfachen oder hohen Geldwäscherisiko auszugehen ist, unterscheiden sich innerhalb der EU. All dies führt dazu, dass eine Bank einen Kunden, der beispielsweise in Spanien eine Geschäftsbeziehung mit ihr unterhält, noch einmal überprüfen muss, wenn er in Deutschland ein Konto eröffnet. "Wir brauchen für einen einheitlichen Finanzbinnenmarkt einheitliche Regelungen", fordert BdB-Experte Frey.

Die Hoffnung von Branchenvertretern, dass eine EU-Verordnung bald Abhilfe schaffen und für einheitliche Regeln sorgen könnte, scheint vorerst jedoch illusorisch. Schon innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten tun sich Innenministerien, Finanzaufsicht und Datenschützer schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Auch die Idee, die Kundenüberprüfung vollständig an Spezialisten auszulagern, wird sich wohl nicht durchsetzen. "Solange die Aufseher erwarten, dass jedes Institut seinen eigenen Prozess hat und dafür auch haften muss, fängt jedes Geldhaus bei Null an", sagt der Geldwäschebekämpfer. Ein Top-Manager einer Auslandsbank bringt es auf den Punkt: "Ich werde den Teufel tun und die Existenz meiner Bank aufs Spiel setzen, indem ich mich auf einen Dritten verlasse."

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