Reuters

Auto-Bundesländer proben den Aufstand gegen den Bund

07.06.2019
um 14:37 Uhr

- von Klaus Lauer und Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Die Bundesländer mit großen Autostandorten proben den Aufstand gegen den Bund und pochen auf mehr Hilfe für eine ökologische Mobilität.

Die Regierungschefs von Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern legten am Freitag ein Positionspapier vor, wie der Autosektor fit gemacht werden soll für den harten Überlebenskampf im globalen Wettbewerb. "Wir haben zehn Jahre Zeit, und es geht wirklich um die Zukunft der deutschen Leitindustrie", sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sprach von einer Revolution für die Branche. Dafür müsse man rasch die richtigen Weichen stellen. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) forderte "spätestens nach der Sommerpause" Entscheidungen. "Wir brauchen einen Schub, vor allem in technischer Innovation."

In einer Kampfansage an die Bundesregierung machten die drei Ministerpräsidenten von Union, SPD und Grünen deutlich, dass das Tempo deutlich anziehen müsse. "Wir haben unglaublich viel Zeit in Deutschland verloren über die Debatten der vergangenen zwei Jahre", kritisierte Söder. Dies habe dem Klimaschutz geschadet. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonte, dass die drei Länder ihre Kräfte bündeln wollten, "ohne dass wir natürlich den gesunden Wettbewerb zwischen uns aufgeben wollen". Er sprach von einer "existenziellen" Herausforderung für den Industriestandort Deutschland. Dies geschehe in Zeiten, in denen auch die großen Autobauer ihrerseits Allianzen schmiedeten.

Weil kündigte an, dass sich die Autoländer ab jetzt stärker einmischen würden. "Da wird man eine Menge Druck erleben." Auch Länder wie Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen sollten einbezogen werden, kündigte Kretschmann als Initiator des Vorstoßes an.

BUND SOLL "ENDLICH" FÜR NOTWENDIGE RAHMENBEDINGUNGEN SORGEN

Die Länderchefs kritisierten die Bundespolitik heftig. "Wo sind die eine Million Elektroautos, die sich die Bundesregierung bis 2020 vorgenommen hatte?" stichelte Kretschmann. Der Bund müsse "endlich" die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit "Deutschland bei der sauberen Mobilität von morgen durchstarten kann". Söder stellte sich hinter die Forderung von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), eine Milliarde Euro für den Ausbau einer schnellen und flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektroautos bereitzustellen. Hier bekamen die Länder umgehend Rückendeckung vom Automobilverband (VDA): "Vor dem Hintergrund der ehrgeizigen Klimaziele ist der derzeitige Bestand von 17.400 öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Deutschland absolut unzureichend."

Auch Volkswagen plädierte jüngst für ein dichteres Netz an E-Tankstellen, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen und die steigende Zahl batteriegetriebener Wagen mit Strom zu versorgen. Experten sprechen gar von "Ladeangst". Denn viele potenzielle E-Auto-Käufer hätten die Sorge, auf offener Strecke mit leerem Akku stehen zu bleiben, weil keine E-Tankstelle in der Nähe sei. Ähnlich äußerte sich Weil, der hierfür mehr Anreize und "größere finanzielle Beiträge" des Bundes forderte. Weil ergänzte, dass es dazu vielleicht bald eine gemeinsame Bundesratsinitiative der Länder geben werde.

JOBS, TECHNOLOGIEFÜHRERSCHAFT UND KLIMASCHUTZ IM FOKUS

Die drei Länder planen auch Ausbildungsinitiativen und gemeinsame Forschungsprogramme, während der Bund den rechtlichen Rahmen für autonomes Fahren schaffen und gegen den Fachkräftemangel helfen solle. Söder sagte, er kenne kein Land, das so kritisch mit seiner Leitindustrie umgehe wie Deutschland. "Wir sind da keine Lobbyisten, aber wir wollen eine sinnvolle Planung des Landes voranbringen." Kretschmann betonte, dass es auch um Jobs und Klimaschutz gehe. "Wir müssen uns nach der Decke strecken, wenn wir bei uns Arbeitsplätze sichern, Technologieführerschaft erhalten und die Luft in unseren Städten sauberer bekommen und das Klima schützen wollen."

Niedersachsen ist die Heimat von Volkswagen, Baden-Württemberg von Daimler sowie Porsche und Bayern von BMW und Audi.

Audi AG

WKN 675700 ISIN DE0006757008
Audi AG Chart
Audi AG Chart

Bayerische Motoren Werke AG

WKN 519000 ISIN DE0005190003

Mercedes-Benz Group AG

WKN 710000 ISIN DE0007100000

Porsche Automobil Holding SE

WKN PAH003 ISIN DE000PAH0038

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039