Reuters

Aktionäre kritisieren "Chaostage" bei Wirecard - Chef beschwichtigt

18.06.2019
um 15:52 Uhr

München (Reuters) - Der Umgang des Zahlungsabwicklers Wirecard mit Unregelmäßigkeiten in Singapur und anderen Vorwürfen sorgt bei Aktionären für Empörung.

Fondsmanager Ingo Speich sprach auf der Hauptversammlung am Dienstag in München von "Chaostagen" bei dem aufstrebenden Finanztechnologiekonzern. "Zu wenig Transparenz, sowohl im Geschäftsmodell als auch in der Kommunikation", schimpfte der Manager der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka in seiner mit Applaus quittierten Rede. "Der einstige Hoffnungsträger Wirecard ist zum Spielball der Märkte geworden."

Allerdings teilten nicht alle Redner die Kritik auf der Versammlung, die mit rund 1500 Teilnehmern so gut besucht war wie noch nie. Eine Kleinaktionärin dankte dem Vorstand für "Glücksmomente" angesichts der Aktienkursentwicklung. Ein anderer Privatanleger sagte, Wirecard sei nicht der einzige Dax-Konzern mit Turbulenzen. Er verwies auf den von der Diesel-Affäre gebeutelten Autobauer Volkswagen und auf den Technologiekonzern Siemens, der vor Jahren von einer Korruptionsaffäre erschüttert wurde.

Die Wirecard-Aktie war im vergangenen Jahr angesichts boomender Geschäfte mit der Abwicklung von Online-Zahlungen für Händler und Dienstleister weltweit zwar größter Gewinner im Dax und hat seitdem insgesamt weiter zugelegt. Der Titel stürzte aber wiederholt ab, als Medienberichte über angebliche Bilanzfälschungen in Singapur und über undurchsichtige Geschäftspartner im Ausland die Runde machten. Wirecard hat die Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen und sieht sie durch eigene Untersuchungen entkräftet.

Das reicht mehreren Investoren jedoch nicht aus. "Man benimmt sich immer noch so, als wäre man ein Startup, obwohl man inzwischen ein Dax-Unternehmen ist", sagte die Vizechefin der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Daniela Bergdolt. Wirecard habe viel Vertrauen verspielt. "Es reicht nicht, wie ein trotziges Kind mit dem Fuß aufzustampfen und zu behaupten, ich war es nicht, ich hab nichts getan." Sie werde gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat stimmen.

DWS - KAPITALMARKTKOMMUNIKATION MUSS VERBESSERT WERDEN

Die DWS schlug in die gleiche Kerbe. "Die vergangenen Quartale haben deutlich gemacht, dass Wirecard ihre Kapitalmarktkommunikation deutlich verbessern muss", sagte Nicolas Huber von der DWS, dem Fondsanbieter der Deutschen Bank. Er werde Vorstand und Aufsichtsrat nur mit der Maßgabe entlasten, dass beide Gremien Führungsstrukturen und Transparenz verbesserten, ergänzte Huber.

Vorstandschef Markus Braun und Aufsichtsratschef Wulf Matthias versprachen Besserung. Wirecard werde seine internen Kontrollmechanismen ausbauen, betonten sie. Braun hatte bereits bei der Bilanzvorlage angekündigt, deutlich mehr Geld in Qualitätskontrollen zu investieren. Infolge der in Singapur festgestellten Unregelmäßigkeiten, wegen derer Wirecard seine Bilanz korrigierte, drohten keine weiteren Risiken, sagte Braun. "Diese Untersuchung ist final abgeschlossen".

Der Trend zum Online-Bezahlen sowohl bei Internet-Bestellungen als auch mit dem Smartphone an der Ladenkasse dürfte Wirecard nach Brauns Angaben weiters Wachstum bescheren. Bis 2025 solle der Umsatz von zuletzt zwei Milliarden auf zehn Milliarden Euro steigen, der Gewinn solle von einer halben Milliarde auf mehr als drei Milliarden Euro zulegen. Davon werde der Aktienkurs langfristig profitieren. "Ich bin optimistisch, dass das auch in den nächsten zehn bis 15 Jahren so ist." Über Kurseinbrüche wie in der Vergangenheit versuchte er die Aktionäre hinwegzutrösten: "Grundsätzlich sind volatile Situationen ja gute Einstiegspunkte."

Deutsche Bank AG

WKN 514000 ISIN DE0005140008

Siemens AG

WKN 723610 ISIN DE0007236101

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039

Wirecard AG

WKN 747206 ISIN DE0007472060