Reuters

Russland sieht AKK-Schutzzonen-Idee skeptisch - Nato positiv

23.10.2019
um 17:42 Uhr

- von Andreas Rinke und Robin Emmott und Vladimir Soldatkin

Berlin/Brüssel/Moskau (Reuters) - Der Vorschlag einer UN-überwachten Sicherheitszone in Nord-Syrien ist international auf ein geteiltes Echo gestoßen: Während Russland den Vorstoß von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer laut einem Agenturbericht als überflüssig bezeichnete, kam von einigen Nato-Partnern Zustimmung.

Die CDU-Chefin kündigte an, ihren "Impuls" bei dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel am Donnerstag und Freitag zu erläutern. Die Opposition in Berlin kritisierte die Verteidigungsministerin als zu vage, sowohl FDP als auch der Koalitionspartner SPD schlossen aber die Zustimmung zu einer möglichen Beteiligung der Bundeswehr am Ende nicht aus.

Kramp-Karrenbauer verteidigte am Mittwoch ihren Vorstoß gegen Kritik auch der SPD, dass sie das Momentum der von der türkischen Regierung verkündeten Waffenruhe sowie das bevorstehende Nato-Verteidigungsministertreffen habe nutzen wollen. Im Verteidigungsausschuss des Bundestages sagte sie, dass das Ziel der Initiative ein UN-Mandat für eine UN-geführte Mission im Norden Syrien sein solle. Ob sich dies umsetzen lasse, könne man noch nicht sagen, fügte sie am Nachmittag bei einem Bundeswehr-Besuch in Erfurt hinzu. Die türkische Armee war in Nordsyrien gegen kurdische Milizen vorgegangen, um eine 30 Kilometer breite Zone entlang der türkische-syrischen Grenze zu besetzen. Es gehe darum, nach diesem völkerrechtswidrigen Vorgehen der Türkei eine dauerhafte politische Lösung zu finden, sagte Kramp-Karrenbauer. Die Europäer müssten sich engagieren.[L5N2782P3]Der Nato-Partner Türkei kündigte Gesprächsbereitschaft an.

Russland als Schutzmacht des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und die Türkei versuchen unterdessen Fakten auf dem Boden zu schaffen. Nach einem Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seines türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan am Dienstag rückten am Mittwoch russische Militärpolizei in die Stadt Kobane ein und forderten einen Abzug der Kämpfer der kurdischen YPG-Miliz. Russische und syrische Truppen sollen einen Abzug beaufsichtigen. Kobane ist für die kurdische Miliz von besonderer Bedeutung, weil sie dort 2014/15 eine der heftigsten Schlachten gegen die radikalislamische IS-Miliz gefochten hatte.

Der türkische Vormarsch ist vor allem durch das Abziehen der mit den kurdischen Kämpfern bis dahin verbündeten US-Truppen möglich geworden. Der Abzug war in den USA, aber auch von EU-Regierungen kritisiert worden. "Nur zu akzeptieren, dass diejenigen, die zum Teil auch wirklich internationales Recht gebrochen haben, jetzt diejenigen sind, die auf Dauer entscheiden, wer in der Region lebt, wie es dort weiter geht, wird den eigenen Ansprüchen in Europa mit Blick auf unsere Werte nicht gerecht", begründete Kramp-Karrenbauer am Mittwoch ihren Vorstoß.

NOCH KEINE ABGESTIMMTE HALTUNG DER BUNDESREGIERUNG

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte den Vorschlag. Auch die US-Botschafterin bei der Nato, Kay Bailey Hutchinson, nannte den Vorstoß positiv, deutete aber an, dass die Europäer und nicht die USA aktiv werden sollten. Die Zustimmung der USA zu einem UN-Mandat wird im UN-Sicherheitsrat aber ebenso gebraucht wie die Russlands. Im Verteidigungsministerium hieß es ergänzend, positive Rückmeldungen habe es auch von Frankreich und Großbritannien gegeben.

Kramp-Karrenbauer sagte im Verteidigungsausschuss laut Teilnehmerangaben, dass etwa eine Aufteilung einer Sicherheitszone in Sektoren wie in Afghanistan denkbar sei. Verschiedene Länder könnten die Hauptverantwortung für eine Zone übernehmen. Es sei zu früh zu sagen, was dies für ein Engagement der Bundeswehr bedeuten könne. Deutschland könnte aber die Verantwortung für eine Zone übernehmen, sagte die CDU-Chefin laut Teilnehmern. Sie habe aber weder Details zur Größe der Schutzzone noch zu einer möglichen Aufteilung genannt, hieß es weiter.

Verteidigungs-Politiker der Grünen, der FDP, der Linkspartei, aber auch der SPD kritisierten die Vorschläge der Verteidigungsministerin als zu vage und unabgestimmt. Dennoch zeichnete sich eine mögliche Mehrheit im Bundestag für eine etwaige Bundeswehr-Beteiligung an. Falls die Voraussetzungen stimmten, "würden wir nicht davor zurückschrecken, auch Bundeswehr anteilig hinzuschicken", sagte etwa die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Rande der Ausschuss-Sitzung. Ihr SPD-Kollege Fritz Felgentreu bezweifelte, dass es zu einem UN-Mandat kommen werde. Wenn die Voraussetzungen gegeben seien, könne er sich aber "alles mögliche" vorstellen". Regierungssprecher Steffen Seibert betonte nach einem Treffen der zuständigen Minister mit Kanzlerin Angela Merkel nach dem Kabinett, dass es noch keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung gebe.