Reuters

Klimaschutz zwingt Daimler zum Sparen

14.11.2019
um 14:37 Uhr

- von Ilona Wissenbach

Frankfurt (Reuters) - Der neue Daimler-Chef Ola Källenius will den schwächelnden Autokonzern mit Milliardeneinsparungen durch die kritische Umbauphase zur Elektromobilität steuern.

Källenius stellte am Donnerstag vor Investoren in London Pläne vor, mit denen der Autobauer mehr als anderthalb Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren einsparen will. Stellen sollen wegfallen, die rekordhohen Investitionen bald sinken, die Produktion billiger und schneller werden. "Unsere Fixkosten sind zu hoch", sagte Källenius. Das Unternehmen müsse unter dem Kostendruck des Klimaschutzes gesund geschrumpft werden, um seine Finanzkraft zu bewahren. Zugleich stellte der Schwede im Kerngeschäft mit Pkw und Vans für 2020 eine Rendite von nur drei Prozent und ab 2022 von fünf Prozent in Aussicht.

Analysten äußerten sich bei der Konferenz enttäuscht über die mageren Gewinnaussichten und fragten, warum Källenius nicht stärker auf die Kostenbremse steigt. An der Börse waren die Aktien des Autokonzerns mit einem Minus von 4,7 Prozent auf Kurse von gut 51 Euro zeitweise das Schlusslicht im Dax.

Källenius, der Dieter Zetsche vor rund einem halben Jahr an der Daimler-Spitze abgelöst hat, bezeichnete den Stellenabbau als die schwierigste Aufgabe. Dieser solle sozial verträglich ablaufen. Es sei nur in kleinen Schritten möglich, Arbeiten an günstigere Zulieferer auszulagern. Er will außerdem nicht zu tief ins Fleisch schneiden, damit Mercedes-Benz die Marktposition als führender Premiumhersteller verteidigen könne - und das auch noch bis 2030, wenn die Marke mit dem Stern nur noch CO2-neutrale Autos verkaufen will. Die Ausgaben für Investitionen, Forschung und Entwicklung sollen deshalb erst nach 2020 vom Rekord-Niveau von 16 Milliarden Euro im Jahr sinken. Mit dem Renditeziel von mehr als drei Prozent würde der Hersteller der S-Klasse und anderer Luxuswagen noch weniger als die meisten Massenhersteller mit Kompaktwagen verdienen. "Wir sind nicht zufrieden damit, aber wir haben jetzt fair und offen erklärt, was wir in den nächsten drei Jahren machen können", sagte Källenius. Die bisherige mittelfristige Zielrendite von acht bis zehn Prozent tauchte gar nicht mehr auf.

"KEIN SINNLOSES KOSTENSCHRUBBEN"

Der Gegenwind kommt vor allem von den hohen Kosten zum Erreichen der strengeren CO2-Abbauziele in Europa. Denn Elektroautos werfen wegen der hohen Batteriekosten und der zunächst geringen Stückzahlen kaum oder keinen Gewinn ab. Hinzu kommen Zölle im Handelsstreit zwischen den USA und China, die nach Schätzung des Unternehmens alleine einen ganzen Prozentpunkt Rendite kosten. Mercedes-Benz und Vans sollen die Personalkosten bis 2022 außerhalb der Produktion um mehr als 1,1 Milliarden Euro senken. Daimler Trucks & Buses muss nach dem Abbau von 2000 Jobs in Deutschland weitere 300 Millionen Euro durch weniger Beschäftigung hereinholen. Auch in der Dachgesellschaft Daimler AG, die 6000 Mitarbeiter zur zentralen Steuerung von Finanzen, Personal, Recht oder IT hat, wird die Axt angelegt. Zehn Prozent der Führungskräfte, nach Angaben des Betriebsrates 1100 Manager, sollen gehen.

Der Betriebsrat zeigte sich gesprächsbereit, will aber nur "punktuell" freiwilliges Ausscheiden zulassen. Bis 2030 sind betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland ohnehin ausgeschlossen. Betriebsrats-Chef Michael Brecht räumte ein, dass die Autoindustrie wegen der Transformation zu klimafreundlichen Antrieben vor schwierigen Zeiten steht. "Wir müssen uns dieser Realität stellen, dürfen aber nicht an der Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens sparen", erklärte er. "Sinnloses Kostenschrubben" will Brecht nicht mitmachen, wie er schon vor der Konferenz der Belegschaft mitgeteilt hatte.

Während Källenius anstrebt, mehr Arbeit an Zulieferer zu vergeben, fordert der Betriebsrat das Gegenteil, um Beschäftigung bei Daimler zu sichern. So streiten Management und Betriebsrat im Leitwerk für Antriebe Untertürkheim gerade heftig darüber, ob der neue elektrische Antrieb selbst gebaut oder zugekauft wird. Das Nebeneinander verschiedener Antriebe - Diesel, Benzin, Batterie und Hybride - ist ebenfalls teuer. "Wir haben den Höhepunkt der Komplexität erreicht - wir haben alles von allem", sagte Källenius. Ab Mitte des nächsten Jahrzehnts sollten Verbrennungsmotoren ausgemistet werden.

RENDITE SOLL AUCH BEI LKW-TOCHTER SINKEN

Bei der Lkw-Tochter seien Europa und Lateinamerika die Problemkinder, erklärte der Chef von Daimler Trucks, Martin Daum. Die Umsatzrendite soll von sechs Prozent in diesem Jahr auf fünf Prozent 2020 sinken - der profitabelste Konkurrent Scania verdient mehr als zehn Prozent. Das kleinste Geschäftsfeld Finanz- und Mobilitätsdienste verliert ebenfalls an Profitabilität wegen höherer regulatorischer Kapitalanforderungen. Die Eigenkapitalrendite werde von 17 Prozent in diesem Jahr auf zwölf Prozent 202

0 sacken und sich erst 2022 wieder etwas erholen.

Manche Experten setzten auch Fragezeichen hinter die Markteinschätzung, das Premiumsegment werde im kommenden Jahr wachsen. Der Absatz der Marke mit dem Stern soll um drei Prozent zulegen. Sollte es nicht so kommen, müsse noch mehr an der Kostenschraube gedreht werden, sagte der Daimler-Chef. "Das würde uns wehtun." Noch mehr Druck auf die deutsche Hersteller kommt nach Ansicht von NordLB-Analyst Frank Schwope von dem geplanten Werk von Tesla in Deutschland. "Vielleicht wird es Zeit für engere Kooperationen oder gar ein Zusammengehen von Daimler und BMW."