Reuters

Volkswagen will Apple und Google mit eigener Software trotzen

21.11.2019
um 14:17 Uhr

Hamburg (Reuters) - Volkswagen macht auf dem Weg zu einem Softwareanbieter Nägel mit Köpfen:

Um bei dem steigenden Softwareanteil in Autos nicht von IT-Giganten wie Apple oder Google abhängig zu werden, fassen die Wolfsburger ihre eigenen Aktivitäten auf diesem Gebiet in einer eigenen Geschäftseinheit zusammen. Sie soll Anfang kommenden Jahres unter dem Namen "Car.Software-Organisation" starten, wie Volkswagen am Donnerstag mitteilte. In einem ersten Schritt sollen unter dem Dach rund 3000 Digitalexperten aus den verschiedenen Beteiligungen und Tochterunternehmen zusammenarbeiten. Bis 2025 werden mehr als 10.000 Beschäftigte angepeilt. Ziel ist eine eigene Software-Marke des Konzerns, die ihre Dienste später auch anderen Abnehmern anbieten könnte.

Insgesamt will die neue Software-Einheit bis 2025 mehr als sieben Milliarden Euro investieren. Dann sollen alle neuen Fahrzeugmodelle auf einem einheitlichen Betriebssystem laufen. Dank der einheitlichen Software kann Volkswagen Größeneffekte nutzen, um die Kosten für die Software pro Fahrzeug für alle Marken des Konzerns zu senken. Die Größenordnung wird klar, wenn man von einem jährlichen Absatz von Volkswagen von mehr als zehn Millionen Fahrzeugen ausgeht. Dann wären es bereits nach fünf Jahren mehr als 50 Millionen Fahrzeuge mit der gleichen Software-Plattform.

Über das eigene Betriebssystem "vw.os" sollen alle Fahrzeuge in eine Cloud eingebunden werden, die alle Dienste umfasst, von Fahrer-Assistenzsystemen über hochautomatissiertes Fahren und Parken, die Ladetechnologie bis hin zu Systemen für Mobilitätsdienste und digitale Geschäftsmodelle der einzelnen Marken. "Wir werden unsere Wettbewerbsfähigkeit im Volkswagen-Konzern stärken, indem wir in Zukunft einen deutlich höheren Teil der Wertschöpfung in der Digitalisierung unserer Fahrzeuge beherrschen", sagte VW-Markenvorstand Christian Senger, der die digitalen Aktivitäten inklusive Software des gesamten Konzerns steuert. Er soll auch für die neue Softwaretochter zuständig sein. Deren Gründung hatte Volkswagen schon im Sommer angekündigt.

NOCH SIND EINIGE FRAGEN OFFEN

Beim Aufbau der neuen Gesellschaft sind allerdings noch einige Fragen offen, die in nächsten Monaten geklärt werden sollen. Dazu zählt etwa die Ausgestaltung der betrieblichen Mitbestimmung, die bei VW ausgeprägt ist. Beim Wechsel in die Software-Gesellschaft bekommen die Mitarbeiter langfristig einen neuen Arbeitgeber, einen eigenen Betriebsrat hat die Organisation aber noch nicht. Auch die Modalitäten für einen Wechsel in die neue Einheit sowie tarifliche Fragen müssen noch ausgehandelt werden.

Betriebsratschef Bernd Osterloh nennt die Gründung einen Meilenstein. Die neue Gesellschaft sei der zentrale Schlüssel bei der strategischen Weiterentwicklung zu einem Software-Konzern. Bei der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen müsse jedoch Qualität vor Schnelligkeit gehen. Für die Arbeitnehmer sei wichtig, dass niemand Verschlechterungen befürchten müsse, weder beim Wechsel in die neue Software-Einheit noch zurück in seine alte Gesellschaft. "Bei der Klärung aller offenen Fragen gefährden wir lieber eine Frist, als dass Beschäftigte sich überfahren fühlen", schrieb Osterloh in einem Brief an die Belegschaft.