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Gericht sieht Cum-Ex-Steuertricks als strafbar an

04.12.2019
um 17:27 Uhr

- von Matthias Inverardi

Bonn (Reuters) - Im ersten großen Strafprozess um Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland sieht das Landgericht Bonn die Steuertricks als nicht rechtens an.

"Cum-Ex-Geschäfte sind in der hier angeklagten Konstellation strafbar", sagte Richter Roland Zickler am Mittwoch in einer ersten rechtlichen Einschätzung des Anfang September begonnen Verfahrens. Der Tatbestand einer Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall sei grundsätzlich erfüllt. Es sei im Prozess erkennbar geworden, dass es keinen wirtschaftlichen Sinn für die Geschäfte gegeben habe. Beteiligten Instituten könne die Einziehung der erlangten Gewinne drohen. Dies gelte auch für Investoren, die gar nicht an dem Prozess in Bonn beteiligt sind und illegal Vorteile aus den Steuer-Deals erlangten. "Die Kammer ist weit davon entfernt, Banken pauschal abzuwatschen ", sagte der Richter. "Was wir gesehen haben, sind aber zahlreiche Beispiele für Fehlverhalten", fügte er hinzu: "Es war ein kollektiver Griff in die Staatskasse."

Vor der 12. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts müssen sich die beiden britischen Händler Martin S. und Nicholas D. verantworten. Sie sollen laut Anklage von 2006 bis 2011 mit Aktiendividenden getrickst und den deutschen Staat um rund 440 Millionen Euro gebracht haben. Ihnen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Beide haben im Prozess bereits ausführlich ausgesagt. Das könnte sich strafmildernd auswirken, machte Zickler deutlich: Beide Angeklagte hätten eng mit den Behörden zusammengearbeitet.

Bei den Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - also cum - und ohne - ex - Dividendenanspruch. Insgesamt geht es bei dem Skandal um Hunderte Fälle mit einem vermuteten Gesamtschaden von mehreren Milliarden Euro.

Den Tatbestand der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall sehe die Kammer nach ihrer ersten Einschätzung zumindest für das Jahr 2007 als erfüllt an, sagte der Richter weiter. "Wir haben gelernt(..), dass ein wirtschaftlicher Sinn für diese Geschäfte nicht erkennbar ist", betonte Zickler. Den Finanzbehörden seien unrichtige Angaben gemacht worden. Neben den Angeklagten könnten sich auch Mittäter oder Helfer strafbar gemacht haben.

GERICHT KANN VERMÖGEN VON BANKEN EINZIEHEN

Auch fünf Geldhäuser müssen den Richtern am Landgericht Bonn Rede und Antwort stehen. Laut Zickler handelt es sich dabei um die Holdinggesellschaft der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, deren Tochter Warburg Invest, Fondshäuser der französischen Bank Societe Generale und des US-Instituts BNY Mellon sowie die Hamburger Kapitalverwaltungsgesellschaft Hansainvest. Als Ausgleich für den mutmaßlich entstandenen Schaden kann das Gericht Vermögen von den Banken einziehen. Zickler machte deutlich, dass dies nach der ersten Bewertung der Kammer geschehen könnte: "Wenn eine rechtswidrige Tat festgestellt ist, muss ein Gericht prüfen, ob der Vorteil abzuschöpfen ist."

Neben den beiden Angeklagten hätten auch dritte Parteien von den Geschäften profitiert, betonte er. Die durch die Cum-Ex-Geschäfte erlangten Vorteile seien von der Rechtsordnung nicht gedeckt. Die Frage einer Einziehung der Gelder werde sich auch in anderen Verfahren stellen.

In den vergangenen Jahren hatten auch Cum-Ex-Razzien wiederholt für Aufmerksamkeit gesorgt, erst im November wurden Geschäftsräume der niederländischen Großbank ABN Amro in Frankfurt durchsucht. Ein Schwerpunkt der Ermittlungen liegt bei der Staatsanwaltschaft Köln, bei der die beiden Bonner Angeklagten ausgesagt hatten, aber auch die Anklagebehörde in Frankfurt geht den Fällen nach. Allein die Generalstaatsanwaltschaft dort ermittelt nach eigenen Angaben noch in elf Verfahrenskomplexen.

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