Reuters

Daimler stellt doch auf umstrittenes Kältemittel um

20.10.2015
um 15:51 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Nach langem Zögern nutzt Daimler in Klimaanlagen ab 2017 doch das umstrittene Kältemittel R1234yf.

Die in Tests von Mercedes-Benz festgestellte Brandgefahr der Chemikalie soll jedoch durch spezielle Schutzeinrichtungen gebannt werden, wie der Autobauer am Dienstag erklärte. Der Konzern erfüllt mit der Umstellung die EU-Vorschrift, nach der ab 2017 das bisher übliche Kältemittel R134a wegen seiner schädlichen Klimawirkung verboten ist. Zugleich haben die Schwaben als Alternative eine Klimaanlage mit Kohlendioxid (CO2) entwickelt, bei der weniger Treibhausgas als bei R1234yf austritt. Diese werde ab 2016 in der neuen E-Klasse und dann in der S-Klasse eingesetzt, erklärte Daimler weiter.

Der 2012 ausgebrochene Streit über das Kältemittel R1234yf, das bisher als einziges die EU-Vorgaben erfüllte und von Honeywell und Dupont produziert wird, hatte ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland nach sich gezogen. Denn Daimler nutzte nach Ansicht der Behörde das bisherige Mittel R134a, das übergangsweise noch bis Ende 2016 eingesetzt werden kann, mit einer unzulässigen Typ-Genehmigung. Alle Fristen in dem Mahnverfahren sind seit fast einem Jahr abgelaufen.

Die EU-Kommission könnte Deutschland nun vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Sollte sie Recht bekommen, müsste das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Mercedes womöglich zu einer Austauschaktion zwingen. Bei mehreren weiteren Tests, darunter auch vom KBA, wurde keine Brandgefahr des neuen Mittels erwiesen. Eine Sprecherin von EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska erklärte, die Behörde prüfe den Fall noch immer.

Daimler hatte vor zwei Jahren beschlossen, mit CO2 als Kältemittel eine Alternative zu R1234yf zu entwickeln. Doch alle Komponenten dafür mussten neu gebaut werden und spezielle Produktionsanlagen bei Zulieferern eingerichtet werden, wie Entwicklungschef Stefan Geyer erläuterte. Die Produktion könne nicht schnell genug hochgefahren werden, deshalb könne ab 2017 nicht schon die gesamte Neuwagenflotte mit CO2-Anlagen versorgt werden. Daimler werde die neue Technik als erster Autobauer einsetzen. Auch Volkswagen hatte damit geliebäugelt. Mercedes setzt auf die CO2-Variante, obwohl diese nach Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe teurer sei als 1234yf mit den zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen.

Der Autobauer betreibt einigen Aufwand, um beide Varianten sicherzumachen, denn auch CO2 ist nicht ungefährlich. Tritt es in den Innenraum aus, kann es den Fahrer benommen machen. Mit Kontrollsensoren werde die Luft überwacht und notfalls gereinigt, erklärte Jürgen Wertenbach, bei Daimler Experte für Kältemittel. "Das Risiko ist extrem klein, dass das passiert", ergänzte er. Ein Entzünden von 1234yf bei einem Frontalaufprall wiederum wird durch den Einsatz eines Schutzgases verhindert.

Honeywell International Inc.

WKN 870153 ISIN US4385161066

Mercedes-Benz Group AG

WKN 710000 ISIN DE0007100000