Reuters

Gericht prüft im VW-Anlegerprozess auch Unternehmensbilanzen

16.12.2019
um 14:07 Uhr

Braunschweig (Reuters) - Im milliardenschweren VW-Anlegerprozess prüft das Oberlandesgericht Braunschweig eine Schadensersatzpflicht von Volkswagen wegen möglicherweise fehlerhafter Bilanzen.

Richter Christian Jäde bezeichnete eine von den Klägeranwälten beantragte Erweiterung der Feststellungsziele um solche Punkte am Montag als "teilweise zulässig". Dabei geht es um die Frage, ob Volkswagen im Abgasskandal schon früher Rückstellungen für den Fall hätte bilden müssen, dass der Konzern wegen des Einbaus einer illegalen Abschalteinrichtung in Dieselautos zur Rechenschaft gezogen würde.

Klägeranwalt Andreas Tilp geht davon aus, dass Volkswagen die Risiken nach dem unterstellten Beschluss zum Einbau der Abschalteinrichtung 2007 in seinen Bilanzen hätte ausweisen und dafür Rückstellungen bilden müssen. Richter Jäde vertrat am siebten Verhandlungstag die Auffassung, zwischen 2008 und 2013 sei "nicht überwiegend wahrscheinlich" gewesen, dass Volkswagen davon ausgehen musste, wegen möglicher Verstöße von den Behörden in Anspruch genommen zu werden und mit Mittelabflüssen rechnen musste. Dies wäre die Voraussetzung dafür, Rückstellungen zu bilden. Für die Zeit ab 2014 müsse dies geprüft werden. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch im aktienrechtlichen Sinne wäre jedoch, dass Behörden oder Anleger von der illegalen Abschalteinrichtung wussten oder dies unmittelbar bevorstand.

Volkswagen hatte im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, eine illegale Software eingebaut zu haben. Diese sorgte dafür, dass ein Auto erkannte, ob es sich auf dem Prüfstand befand - nur dann hielt es die Abgasgrenzwerte ein. Auf der Straße stießen diese Wagen dagegen ein Vielfaches mehr giftiges Stickoxid aus. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals hat Volkswagen bisher schon mehr als 30 Milliarden Euro gekostet.

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig verhandelt seit mehr als einem Jahr über eine Musterklage der Fondsgesellschaft Deka Investment der Sparkassen wegen erlittener Kursverluste durch den VW-Dieselskandal. Insgesamt gibt es annähernd 2000 vergleichbare Fälle, die Summe der Forderungen beläuft sich auf rund neun Milliarden Euro. Davon wurden Forderungen von rund fünf Milliarden vom Landgericht ausgesetzt. Diese Kläger müssen im Falle eines Urteils zugunsten der Deka ihre Ansprüche dort durchsetzen. Weitere Forderungen von rund vier Milliarden Euro werden noch vom Landgericht geprüft.

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