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Wie Putin Russlands Politik auf lange Sicht bestimmen kann

17.01.2020
um 09:07 Uhr

- von Gabrielle Tétrault-Farber

Moskau (Reuters) - Der russische Präsident Wladimir Putin hat weitreichende Änderungen des politischen Systems vorgeschlagen, durch die er auch nach Ende seiner Amtszeit 2024 die Geschicke des Landes bestimmen könnte.

Die bisherige Regierung unter Dmitri Medwedew machte bereits mit ihrem Rücktritt den Weg frei für die von Putin angekündigte Verfassungsänderung. Am Donnerstag ernannte Putin den bisherigen Chef der russischen Steuerbehörde, Michail Mischustin, zum neuen Ministerpräsidenten. Putin dominiert die russische Politik seit zwei Jahrzehnten - als Ministerpräsident und als Staatspräsident. Es folgen Szenarien, wie der 67-Jährige die Verfassung ändern und so seinen Einfluss erhalten könnte:

MEHR MACHT FÜR PARLAMENT UND MINISTERPRÄSIDENT

Putin hat vorgeschlagen, dass künftig das Parlament den Ministerpräsidenten ernennen soll. Derzeit schlägt der Präsident den Regierungschef vor, und das Parlament stimmt dann darüber ab. Nach Putins Vorschlag könnte der Präsident die Entscheidung des Parlamentes nicht blockieren. Die Abgeordneten sollen auch die Aufgabe erhalten, die Minister auf Empfehlung des Ministerpräsidenten zu ernennen.

WENIGER MACHT FÜR DEN PRÄSIDENTEN

Putin, der derzeit seine vierte Amtszeit als Staatsoberhaupt innehat, will die Macht künftiger Präsidenten begrenzen. Es sollen höchsten zwei Amtszeit erlaubt sein, derzeit sind es maximal zwei in Folge. Einige Befugnisse sollen auf andere Institutionen übertragen werden. Künftig sollen nur Kandidaten für die Präsidentschaft zugelassen werden, die mindestens 25 Jahre im Land leben. Wer eine andere Staatsbürgerschaft als die russische oder einen dauerhaften Wohnsitz im Ausland besitzt, soll nicht kandidieren dürfen. Dies zielt auf Exilpolitiker und Oppositionelle ab, die zum Beispiel im Ausland studiert haben.

STAATSRAT

Der Staatsrat, in dem die Regierungschefs der russischen Regionen sitzen, soll nach Putins Wille mehr Einfluss erhalten. Derzeit hat das Gremium eine wenig einflussreiche Funktion als Berater des Präsidenten. Putin will dem Staatsrat nun mehr Entscheidungsgewalt geben.

PUTINS EIGENE OPTIONEN

Die aktuelle Verfassung verhindert, dass Putin direkt im Anschluss an seine 2024 endende Amtszeit erneut Präsident werden kann. Da er die Zahl der Amtszeiten auf zwei begrenzen will, wird er danach definitiv nicht länger Staatspräsident sein. Er könnte sich aber auf andere Weise Macht und Einfluss bewahren:

- Ministerpräsident: Putin könnte erneut Regierungschef werden und hätte in dieser Funktion nach der angepeilten Verfassungsänderung mehr Macht. Dieser Weg ist erprobt. Bereits 2008 bis 2012 war Putin Ministerpräsident. Damals übernahm sein Vertrauter Dmitri Medwedew das Amt des Staatspräsidenten von Putin, das dieser nach zwei Amtszeiten nicht direkt wieder antreten durfte. 2012 tauschten Putin und Medwedew die Ämter, was zu Protesten in der Bevölkerung führte.

- Präsident des Staatsrates: Da Putin dem Beratergremium mehr Einfluss gewähren will, könnte er mit diesem Spitzenposten seinen Einfluss sichern. Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hat das Beispiel geliefert, als er im vergangenen Jahr nach fast dreißig Jahren vom Spitzenposten der früheren Sowjetrepublik zurücktrat. Bevor Nasarbajew das Amt abgab, hatte er die Macht des Staatsrates deutlich ausgeweitet und machte sich zu dessen Vorsitzenden auf Lebenszeit. Das Parlament verlieh ihm den Titel des "Führers der Nation", und Nasarbajew blieb Vorsitzender der Regierungspartei.

- Parlamentspräsident: Auch diese Funktion könnte Experten zufolge für Putin reizvoll sein. Denn nach seinen Vorschlägen für eine Verfassungsreform soll das Parlament deutlich mehr Macht erhalten.

WIE GEHT ES WEITER?

Putin hat angeordnet, dass eine Arbeitsgruppe seine Vorschläge auswertet. Dieser Gruppe gehören Kreml-treue Abgeordnete und Prominente wie der Pianist Denis Mazujew und die Olympia-Siegerin und Weltmeisterin im Stabhochsprung, Jelena Issinbajewa, an.

Seine Vorschläge will Putin der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen. Wann das Referendum stattfinden soll, ist derzeit nicht klar. Valentina Matwienko, die Sprecherin des Föderationsrates, also des Oberhauses des Parlamentes, hat laut Nachrichtenagentur Interfax bereits erklärt, das Parlament könne die Vorschläge noch vor Ende seiner Frühjahrssitzung annehmen.