Reuters

Industrieanteil in Deutschland niedrig wie zuletzt im Krisenjahr 2009

17.01.2020
um 10:32 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Bedeutung der Industrie für die deutsche Wirtschaft ist so gering wie seit der weltweiten Finanzkrise vor rund zehn Jahren nicht mehr.

Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung fiel auf 21,5 Prozent von 22,6 Prozent 2018, wie aus Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlagen. Einen niedrigeren Wert gab es zuletzt 2009 mit 19,7 Prozent, als die exportabhängige Wirtschaftsnation Deutschland wegen der globalen Finanzkrise in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit rutschte. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier strebt in seiner "Industriestrategie 2030" einen Anteil von 25 Prozent als "Leitwert" an. Die Bruttowertschöpfung gibt den Wert der erzeugten Waren und Dienstleistungen an, abzüglich der Vorleistungen.

Der Rückgang ist mit der Rezession der exportlastigen Industrie zu erklären, die 2019 unter Handelskonflikten, schwächerer Weltkonjunktur und dem Brexit-Chaos litt. Zudem trug insbesondere die schwache Produktion in der Automobilindustrie dazu bei: Diese schrumpfte dem Ifo-Institut zufolge im vergangenen Jahr um rund neun Prozent. Der Branche machten erst der Dieselskandal und dann neue Prüfverfahren zu schaffen, schließlich belastet auch der Wandel hin zu Elektrofahrzeugen.

"ÜBERHAUPT NICHT SINNVOLL"

Regierungsberater zweifeln, ob Altmaier mit seiner 25-Prozent-Leitmarke auf dem richtigen Weg ist. "Es erscheint mir überhaupt nicht sinnvoll, einen bestimmten Wertschöpfungsanteil für einen Teilbereich der Wirtschaft als Zielgröße der Wirtschaftspolitik zu wählen", sagte der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, zu Reuters. "Anzustreben ist doch vielmehr, dass die Volkswirtschaft insgesamt eine nachhaltig hohe Leistungs- und Innovationsfähigkeit aufweist."

In Deutschland sei die Industrie zwar vergleichsweise bedeutsam. "Aber dieser Anteil würde auch dadurch steigen, dass der Rest der Volkswirtschaft in der Leistungsfähigkeit nachließe", sagte Schmidt. "Die Steigerung alleine kann daher aus meiner Sicht keine sinnvolle wirtschaftspolitische Zielgröße sein." Besser wäre es, nachhaltig hohe Steigerungen der Arbeitsproduktivität innerhalb und außerhalb der Industrie bei gleichzeitig hohem Beschäftigungsstand anzustreben.