Reuters

Überraschende Kandidatur - Norbert Röttgen will CDU-Chef werden

18.02.2020
um 13:57 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Norbert Röttgen greift nach dem CDU-Vorsitz: Überraschend erklärte der Außenpolitiker am Dienstag seine Kandidatur für den Chefposten der Partei, der auch zur Kanzlerkandidatur der Union führen kann.

Der 54-Jährige stellte vor der Presse in Berlin klar: "Ich bin der erste und einzige, der seine Kandidatur erklärt hat." Gehandelt werden zudem die wie Röttgen aus Nordrhein-Westfalen stammenden Friedrich Merz, Armin Laschet und Jens Spahn, die ihre Kandidatur öffentlich aber noch nicht erklärt haben. Die noch amtierende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer empfing Merz unterdessen in der Berliner Parteizentrale. Röttgen kritisierte das Vorgehen der Vorsitzenden und sprach sich für eine Mitgliederbefragung aus. Zudem plädiert er dafür, dass Kanzlerin Angela Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 im Amt bleibt.

Er habe seine Kandidatur am Dienstagmorgen in einer E-Mail an die CDU-Chefin erklärt und danach kurz mit Kramp-Karrenbauer telefoniert, sagte Röttgen. Er pochte auf eine Entscheidung über den Parteivorsitz "deutlich" vor der Sommerpause mit einem Sonderparteitag. Es sei "unvorstellbar", mit dieser Entscheidung bis Dezember zu warten. Röttgen übte deutliche Kritik am Vorgehen der CDU-Chefin, die am Dienstag Gespräche mit möglichen Bewerbern begann. "Das Verfahren hat mich nicht überzeugt", sagte er. Kramp-Karrenbauer rede nun mit CDU-Politikern, bei denen gar nicht klar sei, ob sie überhaupt Kandidaten seien. Kramp-Karrenbauer will den CDU-Gremien am 24. Februar Vorschläge über das weitere Verfahren machen.

Der nordrhein-westfälische Politiker ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag und damit einer der wichtigsten Außenpolitiker des Landes. Er war 2012 kurz nach seiner Wahlniederlage als Spitzenkandidat der CDU Nordrhein-Westfalen bei den Landtagswahlen von Kanzlerin Merkel als Umweltminister entlassen worden. Im Falle einer Wahl zum CDU-Chef glaube er dennoch, mit Merkel als Kanzlerin bis zum Ende der Legislaturperiode im September 2021 zusammenarbeiten zu können, sagte er mit Blick vor allem auf eine außen- und europapolitische Verantwortung. "Wir haben eine ziemlich ernste Lage. Ich habe an ihrem Verantwortungsbewusstsein und ihrem Pflichtgefühl überhaupt keinen Zweifel."

Damit schloss sich Röttgen CSU-Chef Markus Söder und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) an, die Spekulationen über einen vorzeitigen Rückzug Merkels nach der Wahl eines neuen CDU-Chefs zurückgewiesen haben. "Mit Angela Merkel haben wir als CDU alle Chancen, ein sehr gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl zu holen", sagte Günther am Montagabend in der ARD. "Wir können von den Sympathien profitieren, die sie bei den Menschen hat." Merkel hatte aber eine erneute Kandidatur 2021 ausgeschlossen und sich 2018 von der CDU-Spitze zurückgezogen.

"DIE PARTEI DER MITTE"

Die Frage der Unions-Kanzlerkandidatur will Röttgen wie Söder zeitlich voneinander trennen. Diese Frage könne gegen Jahresende entschieden werden. Aus der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen, für die er damals hart kritisiert worden war, habe er gelernt, betonte Röttgen. Die damalige Niederlage sei kein Manko. Es sei im Gegenteil wichtig vor der Übernahme von großer Verantwortung, auch eine Niederlage erlitten zu haben "und dann wieder aufgestanden zu sein".

Er forderte, dass es im Rennen um den Parteivorsitz nicht nur um Personen, sondern auch um die richtige inhaltliche Aufstellung der CDU gehen müsse. "Mir geht es darum, dass dieser Prozess jetzt politisch wird", sagte Röttgen. Er forderte zum einen eine klare Abgrenzung der CDU von Links- und Rechtsaußen. "Die CDU ist die Partei der Mitte." Zum anderen müsse es einen "Deutschland-Dialog" zwischen Ost und West geben. Die CDU müsse sich um die Ängste der Menschen kümmern, die diese zur AfD trieben. "Wahlentscheidend wird für die CDU zudem sein, dass wir über Zukunftskompetenz verfügen", sagte er mit Blick auf die Umwelt- und Klimadebatte. Außerdem forderte er eine Korrektur der Steuerpolitik, die selbst die Mittelschicht schon mit Höchststeuersätzen belaste.

Röttgen setzte sich auch für eine sehr viel offensivere Auseinandersetzung in der fünftgrößten Weltwirtschaft mit den europäischen und internationalen Herausforderungen ein. "Wir brauchen eine europäische Antwort darauf, wie wir die EU-Einheit herstellen wollen", sagte er mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump. Als Beispiel einer europäischen Zusammenarbeit nannte er einen deutsch-französischen Schulterschluss bei der Frage, wie man sich beim neuen Mobilfunkstandard 5G schützen könne. Außerdem müsse die europäische Außenpolitik stärker von einem erweiterten E-3-Gremium geprägt werden, der derzeit Deutschland, Frankreich und Großbritannien angehören.

Aus dem Gespräch Kramp-Karrenbauer mit Merz wurden zunächst keine Inhalte bekannt. Die CDU-Chefin trifft am Mittwoch auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn. Insgesamt gibt es sechs Bewerber für den CDU-Vorsitz. Kandidaten werden sie vor einem Parteitag aber erst, wenn sie von antragsberechtigten Parteigremien oder -vereinigungen nominiert werden.