Reuters

Hardliner bei Wahl im Iran gesetzt

21.02.2020
um 18:07 Uhr

Dubai (Reuters) - Inmitten des zugespitzten Konflikts mit den USA und wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist im Iran am Freitag ein neues Parlament gewählt worden.

Bereits im Vorfeld galt als sicher, dass das treu zum politischen und religiösen Oberhaupt Ajatollah Chamenei stehende erzkonservative Lager gestärkt aus der Abstimmung hervorgehen dürfte. Der Wächterrat hatte Tausenden Bewerbern sowie einem Drittel der bisherigen Abgeordneten verboten zu kandidieren. Die Entscheidung traf vor allem gemäßigte und konservative Politiker. Lackmustest ist daher insbesondere die Wahlbeteiligung. Fällt sie hoch aus, könnte das Establishment um Chamenei das als Signal einer großen Unterstützung interpretieren. Bis zum Nachmittag hatte laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens jedoch nicht einmal jeder fünfte der insgesamt 58 Millionen Wahlberechtigten seinen Stimmzettel abgegeben. Im Verlauf wurden die Öffnungszeiten der Wahllokale um vier Stunden bis 19.30 Uhr MEZ verlängert, wie staatliche Medien meldeten. Grund sei ein "Andrang der Wähler". Das Ergebnis wird in etwa drei Tagen erwartet.

Chamenei hatte die Teilnahme an der Wahl zur "religiösen Pflicht" erhoben. "Wir brauchen eine hohe Wahlbeteiligung, um die Verschwörungen unserer Feinde zu neutralisieren." Das erzkonservative Lager setzt nicht zuletzt darauf, dass sich seine Unterstützer durch die Wut vieler Iraner auf die USA mobilisieren lassen. Der Konflikt zwischen den beiden Erzrivalen gewann in den vergangenen Wochen dramatisch an Schärfe und drohte phasenweise sogar militärisch zu eskalieren, nachdem die USA den Volkshelden und Kommandeur der Kuds-Brigaden Kassem Soleimani Anfang Januar gezielt getötet hatten. "Ich bin hier um zu wählen, es ist meine Pflicht, dem Pfad des Märtyrers Soleimani zu folgen", sagte etwa ein junger Wähler. Der Luftwaffen-Kommandant der Revolutionsgarden, Amirali Hadschisadeh, sagte: "Jeder Stimmzettel, der in die Wahlurne gesteckt wird, ist eine Rakete in das Herz Amerikas."

Allerdings spüren viele Iraner auch, dass das Land international immer mehr in die Isolation gerät. Grund ist nicht zuletzt der Streit um das Atomprogramm. US-Präsident Donald Trump kündigte die 2015 mühsam erzielte Atomvereinbarung einseitig auf und setzte schrittweise wieder Sanktionen ein, die dem Iran und dessen Bevölkerung wirtschaftlich schwer zusetzen. Die europäischen Vertragspartner, darunter Deutschland, versuchen das Abkommen zu retten, doch die iranische Führung setzte in den vergangenen Monaten nach und nach Teile der Vereinbarung aus.

Hinzu kam der Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs, bei dem alle 176 Insassen umkamen. Nach Tagen des Leugnens erklärte der Iran, die Revolutionsgarden hätten das Flugzeug versehentlich abgeschossen. Das sorgte auch bei vielen Iranern für Fassungslosigkeit und schürte Unzufriedenheit. Diese war bereits im November nach einer Erhöhung der Benzinpreise offen zutage getreten. Damals schlugen die Revolutionsgarden die Proteste nieder, Menschenrechtlern zufolge wurden Hunderte Menschen getötet und Tausende festgenommen.