Reuters

Italien riegelt Coronavirus-Gebiete ab - WHO besorgt über Ausbreitung

24.02.2020
um 07:12 Uhr

- von Stephen Jewkes und Jane Chung

Mailand/Seoul (Reuters) - Das Coronavirus ist außerhalb Chinas weiter auf dem Vormarsch.

Italien riegelte nach den ersten Virus-Todesfällen in dem Land am Wochenende ganze Ortschaften im Norden des Landes ab. Sorge bereitete den Behörden, dass es seit Bekanntwerden der ersten Infektionen am Freitag bis Sonntag nicht gelang, die Ansteckungen bis zu einer Ausgangsperson zurückzuverfolgen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußerte sich besorgt über Krankheitsfälle ohne erkennbare Verbindung zu China, wo die Infiziertenzahl auf 77.000 stieg. Auch in Südkorea und im Iran legten die Zahlen sprunghaft zu.

Chinas Präsident Xi Jinping rechnet mit deutlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft. China werde alles tun, um die Ziele für 2020 zu erreichen, wurde Xi vom staatlichen Fernsehen zitiert. Die Regierung werde ihre Konjunkturhilfen verstärken. Der Kampf gegen das Virus sei immer noch in einer kritischen Phase, auch wenn es erste positive Signale gebe.

KARNEVALSAUSKLANG IN VENEDIG ABGESAGT

In Italien sagten die Behörden die letzten beiden Tage des traditionsreichen Karnevals in Venedig ab. Am Montag und Dienstag finden keine Veranstaltungen mehr statt. Die Regierung hatte am Samstagabend angekündigt, die am stärksten von den Infektionen betroffenen Gebiete in der Lombardei und in Venetien im Norden abzuriegeln. Etwa ein Dutzend Ortschaften mit zusammen etwa 50.000 Einwohnern standen faktisch unter Quarantäne. Landesweit lag die Zahl der Infektionen bei über 150 Fällen. Bislang starben drei Personen in Italien an der Coronavirus-Epidemie.

WHO-Experten warnten vor Prognosen über die Entwicklung der Epidemie, da die Zahl der Erkrankungen auch in anderen Ländern außerhalb Chinas teilweise drastisch zunahm. Viele Menschen hätten sich angesteckt, ohne dass sie nach China gereist seien oder Kontakt mit einer Person gehabt hätten, bei der das Coronavirus nachgewiesen worden sei, schrieb WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus auf Twitter.

In Italien hat sich das Virus vermutlich von Codogno, einer Kleinstadt in der Nähe von Mailand, ausgebreitet. Dort wurde der erste bekannte Patient in der Lombardei, ein 38-jähriger Mann, behandelt. Nach Erkenntnissen der Gesundheitsbehörden hatten alle positiv Getesteten am 18. oder 19. Februar Kontakt mit der Notaufnahme und dem Krankenhaus in Codogno. Der 38-Jährige sei erkrankt, nachdem er einen Freund getroffen habe, der nach China gereist war. Dieser sei selbst aber negativ getestet worden.

In Südkorea legte die Zahl der Infizierten sprunghaft auf 602 zu. Sechs Menschen starben dort nach der Ansteckung mit dem Virus, das eine Lungenkrankheit auslösen kann. Im Iran sind nach Behördenangaben acht Menschen infolge des Coronavirus gestorben - die höchste Zahl außerhalb Chinas. Die Zahl der Infizierten sei auf 43 gestiegen. Die Türkei schloss ihre Grenze zum Iran. Alle Fernstraßen und Eisenbahnlinien würden ab Sonntagnachmittag gesperrt und Flüge aus dem Nachbarstaat ausgesetzt.

China meldete am Sonntag erneut einen Rückgang bei den Neuinfektionen außerhalb der besonders betroffenen Provinz Hubei. Die chinesischen Gesundheitsbehörden teilten mit, es habe nur 18 neue Infektionsfälle außerhalb Hubeis gegeben. Erstmals seit Bekanntwerden des Ausbruchs seien am Samstag in Peking, Zhejiang und Sichuan keine neuen Infektionen gemeldet worden. Insgesamt gebe es aber 648 neue Fälle. Damit stieg die Zahl der Infizierten im chinesischen Kernland auf 76.936. Bislang starben den Behörden zufolge 2442 Menschen.

In den chinesischen Staatsmedien wurden die Menschen davor gewarnt, bei ihren Schutzmaßnahmen nachzulassen. China habe den Wendepunkt bei der Verbreitung der Krankheit noch nicht erreicht. Experten beobachten, ob es wegen der Lockerung von Reisebeschränkungen und der Rückkehr zahlreicher Wanderarbeiter in die Fabriken und Büros zu einer neuen Ansteckungswelle kommt.

EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni zufolge ist die steigende Zahl der Infektionen in Italien kein Grund zur Panik. Die EU habe vollstes Vertrauen in die italienischen Behörden und die Entscheidungen, die sie träfen, sagt er. "Wir sorgen uns auch um mögliche Infektionen, aber es gibt keinen Grund zur Panik."

In Frankreich ist die Lage laut Gesundheitsministerium stabil. Es gebe derzeit keine neuen Coronavirus-Fälle, teilte die Behörde mit.

Einem Bericht des Portals "oe24.at" zufolge wurde ein Zug aus Italien an der Grenze zu Österreich gestoppt. An Bord befänden sich zwei Personen, bei denen der Verdacht einer Corona-Erkrankung bestehe, berichtet die Seite unter Berufung auf Sicherheitskreise.