Reuters

Coronavirus-Angst löst Ausverkauf an Börsen aus

24.02.2020
um 11:12 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Der Ausbruch des Coronavirus in Italien hat zu einem Kurssturz an Europas Börsen geführt.

"Das ganze Thema rückt näher an uns heran, und damit wächst die Angst vor einer weltweiten Lähmung der Wirtschaft", kommentierte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Zuvor hatte die Regierung in Rom nach ersten Todesfällen im Land mehrere norditalienische Ortschaften abgeriegelt.

Dax und EuroStoxx50 rutschten am Montag zeitweise um jeweils knapp vier Prozent auf 13.044 beziehungsweise 3657 Punkte ab. Der Leitindex der Mailänder Börse brach sogar um bis zu 4,4 Prozent ein. Damit steuerten alle drei Indizes auf ihren größten Tagesverlust seit etwa dreieinhalb Jahren zu. Damals hatten Spekulationen auf eine Abkühlung der chinesischen Konjunktur die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt.

Auch in Asien ging es zu Wochenbeginn teilweise steil bergab. "Die Dynamik der Korrektur zeigt, dass viele Marktteilnehmer wohl zu sorglos mit dem Thema Virus umgegangen sind", führte Thomas Metzger aus, Chef der Vermögensverwaltung beim Bankhaus Bauer.

Gleichzeitig hofften Börsianer weiter auf Konjunkturhilfen von Regierungen und Notenbanken. Am Wochenende hatte der chinesische Präsident Xi Jinping sein Bekenntnis zu Stützungsmaßnahmen bekräftigt. In der Volksrepublik war der Erreger COVID-19 zuerst aufgetreten und ist dort bei weitem am stärksten verbreitet.

In Europa taxieren Investoren inzwischen die Wahrscheinlichkeit einer Senkung des Einlagenzinses durch die Europäische Zentralbank (EZB) auf minus 0,6 von derzeit minus 0,5 Prozent auf etwa 50 Prozent. "Das klingt zwar alles schön und gut", kommentierte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. "Es bleibt aber abzuwarten, was Notenbanken und Regierungen überhaupt tun können, um so eine Gefahr zu entschärfen."

ÖL UND KUPFER UNTER DRUCK - FLUGGESELLSCHAFTEN EBENSO

Auch am Rohstoffmarkt spiegelte sich die Angst vor einem Dämpfer für die Weltwirtschaft wider. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 3,8 Prozent auf 56,28 Dollar je Barrel (159 Liter). Der Preis für das wichtige Industriemetall Kupfer fiel um 1,6 Prozent auf 5696,50 Dollar je Tonne. Eine beschleunigte Ausbreitung des Coronavirus könnte einen nie dagewesenen Einbruch der weltweiten Geschäftstätigkeit auslösen, warnte Anlagestratege Stephen Innes vom Brokerhaus AxiTrader.

Am Aktienmarkt flogen wegen vor allem Fluggesellschaften aus den Depots. Die Titel von Lufthansa, Air France-KLM und der British Airways-Mutter IAG verloren bis zu 9,5 Prozent. Die auf innereuropäische Verbindungen spezialisierten Billig-Flieger Ryanair und EasyJet veloren jeweils mehr als zehn Prozent an Börsenwert. Der europäische Branchenindex verbuchte mit einem Minus von gut fünf Prozent den größten Rückgang seit dreieinhalb Jahren.

FLUCHT IN GOLD, STAATSANLEIHEN UND FRANKEN

Vor diesem Hintergrund flüchteten viele Anleger in "sichere Häfen". So stieg der Preis für die "Antikrisen-Währung" Gold um 2,6 Prozent auf ein Sieben-Jahres-Hoch von 1685,89 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) und steuerte auf den größten Tagesgewinn seit dreieinhalb Jahren zu. Für heimische Investoren war das Edelmetall mit 1555,96 Euro so teuer wie nie. Das war der achte Tag in Folge mit einem Rekordhoch.

Auch bei Bundesanleihen griffen Investoren beherzt zu und drückten die Renditen sämtlicher Papiere unter null Prozent. Die 30-jährigen Titel rentierten mit minus 0,043 so niedrig wie zuletzt vor vier Monaten. Gleiches galt für die richtungweisenden zehnjährigen Papiere, deren Rendite auf minus 0,499 Prozent fiel. Ihr US-Pendants warfen mit plus 1,377 Prozent so wenig ab wie vor dreieinhalb Jahren. Negative Renditen bedeuten, dass Investoren draufzahlen, wenn sie Anleihen kaufen. Sie nehmen dies aber in Kauf, weil sie diese Papiere bei Bedarf schnell wieder zu Geld machen können.

Devisenanleger deckten sich mit der Schweizer Währung ein. Dies drückte den Kurs des Euro auf ein Viereinhalb-Jahres-Tief von 1,0604 Franken. Gefragt war auch die Weltleitwährung Dollar. Der Dollar-Index gewann 0,4 Prozent und nahm wieder Kurs auf sein Drei-Jahres-Hoch aus der Vorwoche.