Reuters

Bayer in der Schwebe - Kein Durchbruch in Glyphosat-Krise in Sicht

27.02.2020
um 15:17 Uhr

- von Patricia Weiss und Ludwig Burger

Leverkusen (Reuters) - Die Glyphosat-Klagewelle in den USA hängt wie ein Damoklesschwert über Bayer - doch Vorstandschef Werner Baumann will sich nicht unter Druck setzen lassen.

Es gebe bei den Vergleichsverhandlungen mit den Klägern keine Zeitvorgaben. "Wenn wir uns dem Diktat einer bestimmten Fristensetzung unterwerfen würden, werden wir allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach nicht unbedingt das beste Ergebnis für unser Unternehmen und unsere Aktionäre erreichen", sagte er bei der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag in Leverkusen. "Deswegen werden wir so lange verhandeln, bis wir ein für uns zufriedenstellendes Ergebnis erreicht haben." Bis Anfang Februar hat sich die Zahl der Kläger wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat um rund 5900 auf etwa 48.600 erhöht. Das ist ein aber geringerer Anstieg als zuletzt.

Seit Monaten versucht der US-Staranwalt Ken Feinberg, eine außergerichtliche Einigung zwischen Bayer und den US-Klägern zu erreichen. Alle Augen richten sich gegenwärtig darauf, wann es zu einem Vergleich kommt. Die Verhandlungen sind schwierig, weil Bayer Glyphosat auf dem Markt behalten, gleichzeitig aber weitere Klagen in der Zukunft vermeiden will. Die Klagewelle hat Bayer in eine schwere Krise gestürzt: Der Aktienkurs brach seit der Monsanto-Übernahme, mit der sich Bayer den glyphosathaltigen Unkrautvernichter des US-Saatgutriesen ins Portfolio geholt hatte, um fast ein Drittel ein. Bislang hat der Konzern drei Prozesse in erster Instanz verloren und wurde zu millionenschweren Schadenersatzzahlungen verurteilt.

Nachdem zuletzt mehrere geplante Gerichtsverfahren verschoben worden waren, hatten Spekulationen zugenommen, dass es nicht mehr lange bis zu einem Vergleich dauern könnte. Dieser könnte Bayer nach Einschätzung von Analysten zwischen acht und zwölf Milliarden Dollar kosten. "Wir beschäftigen uns natürlich stark damit, wie wir eine eventuelle Zahlung begleichen würden", sagte Finanzchef Wolfgang Nickl. Bayer habe aber durch den erwarten operativen Mittelzufluss (Free Cash-flow) und durch die Bruttoerlöse aus den jüngsten Verkäufen, die sich auf 9,3 Milliarden Euro belaufen dürften, "einiges an Flexibilität". Es bestehe zudem die Möglichkeit, Brückenkredite in Anspruch zu nehmen, erläuterte der Finanzchef. Im Geschäftsbericht wies Bayer aber darauf hin, dass der Konzern zu einer Kapitalerhöhung oder den Verkauf von Unternehmensteilen gezwungen sein könnte.

Im Januar hatte Bayer Rückendeckung von der US-Umweltbehörde EPA erhalten, die ihre Einschätzung bekräftigte, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung nicht krebserregend sei. "Wir sehen die Klagewelle als ein Produkt des US-Rechtssystems", sagte Baumann. Im vergangenen Oktober hatte Bayer vor allem die Werbekampagnen der großen Anwaltskanzleien dafür verantwortlich gemacht, dass sich die Zahl der Glyphosat-Kläger innerhalb von nur drei Monaten auf 42.700 mehr als verdoppelt hatte.

BAYER KANN FOLGEN VON CORONAVIRUS NOCH NICHT ABSCHÄTZEN

Nach einem Rekordergebnis im vergangenen Jahr will Bayer 2020 weiter zulegen. Der Vorstand rechnet mit einem währungs- und portfoliobereinigten Umsatzplus von etwa drei bis vier Prozent auf rund 44 bis 45 Milliarden Euro. Der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) soll um sieben bis 9,6 Prozent auf rund 12,3 bis 12,6 Milliarden klettern. Um die Erwartungen der Analysten und auch seine eigenen Ziele zu erreichen - Bayer peilt bis 2022 einen Ergebniszuwachs von durchschnittlich etwa neun Prozent pro Jahr an - muss der Konzern allerdings das obere Ende der Prognose erreichen. Im Ausblick sind noch keine möglichen finanziellen Auswirkungen durch die Coronavirus-Epidemie berücksichtigt. Diese werde Bayer erst nach dem ersten Quartal abschätzen können, sagte Nickl. Die Produktion von Bayer in China verlaufe momentan ungestört.

Im Tagesgeschäft lief es zuletzt rund. Im vierten Quartal setzte der Konzern 10,75 Milliarden Euro um, ein Plus von fast vier Prozent. Der bereinigte Betriebsgewinn erhöhte sich um mehr als ein Viertel auf 2,48 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr legte er um gut 28 Prozent auf den Rekordwert von 11,5 Milliarden zu. Bayer erreichte damit punktgenau seine Ziele. Das Unternehmen profitierte von einem starken Pharmageschäft, vor allem in China, aber auch von Einsparungen. Im Agrargeschäft hatte Bayer zwar wegen der Handelskonflikte und extremer Wetterbedingungen mit einem schwierigen Marktumfeld zu kämpfen. Das Ergebnis sprang jedoch wegen der Integration von Monsanto in die Höhe. Unter dem Strich fiel 2019 ein Gewinn von 4,09 (2018: 1,695) Milliarden Euro an, wozu auch der Verkauf des Anteils am Chemieparkbetreiber Currenta beitrug. Die Aktionäre sollen eine unveränderte Dividende von 2,80 Euro je Aktie erhalten.