- von Frank Siebelt und Hans Seidenstuecker
Frankfurt/Madrid (Reuters) - Die Großbanken im Euro-Raum müssen auf Anweisung der EZB wegen der Coronavirus-Krise ihre Notfallpläne überprüfen.
Die Geldhäuser sollten zudem über Möglichkeiten nachdenken, um negative Folgen einer Ausweitung der Virus-Epidemie zu minimieren, hieß es in einem Brief der Aufseher an die Finanzinstitute, den die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag einsehen konnte. Die Banken sollten nicht nur Infektionskontrollen am Arbeitsplatz gewährleisten, sondern auch sicherstellen, das Beschäftigte notfalls in größerem Umfang von außerhalb arbeiten könnten. Die Europäische Zentralbank lehnte eine Stellungnahme ab.
Die EZB ist seit Herbst 2014 für die Überwachung der größten Banken im Euro-Raum zuständig. Aktuell kontrolliert sie 117 Geldhäuser, darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank. Schon seit Tagen arbeiten die Institute mit Hochdruck an Plänen, um auch bei einer Verschärfung der Virus-Krise das Bankgeschäft aufrecht zu erhalten. Geschäftsreisen wurden eingeschränkt, Hygienevorkehrungen verschärft und Teams aufgeteilt, damit zumindest ein Teil weiter arbeiten kann. Zudem überprüfen die Geldhäuser, dass ihre Mitarbeiter im Home Office arbeiten können und nicht an Technikproblemen scheitern.
AUSWEICHSTANDORTE
Bei der Commerzbank arbeitet inzwischen in wichtigen Bereichen ein Teil der Mitarbeiter an einem Ausweichstandort im Frankfurter Umland, wie ein Banksprecher sagte. Die Deutsche Börse hat noch keinen Ausweichstandort aktiviert, aber auch der Börsenbetreiber hat Teams hierzulande aufgeteilt. "In unseren operativen Teams arbeitet ein Teil der Mitarbeiter derzeit im Home Office. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme", sagte ein Börsensprecher. Bei der Deutschen Bank arbeiten Mitarbeiter in Singapur, China, Hongkong und Italien schon seit längerem aufgeteilt von zu Hause aus und in Büros. Auch in der Schweiz ist das inzwischen bei der Deutschen Bank der Fall, wie eine Sprecherin sagte. In Deutschland habe man dies noch nicht umgesetzt, sei aber bei einer weiteren Ausweitung des Coronavirus hierzulande dafür gerüstet.
Schließlich müssen Handel, Zahlungsverkehr und andere Dienstleistungen auch laufen, wenn Büros oder Filialen bei einem Coronavirus-Fall geräumt werden müssen. Die Hypovereinsbank schickte Mitarbeiter heim, nachdem in einem Münchener Büro des Geldhauses ein Mitarbeiter eines externen Dienstleisters positiv auf das Coronavirus getestet worden. Bei der größten europäische Bank HSBC mussten in London mehr als 100 Mitarbeiter nach Hause gehen, nachdem ein Beschäftigter positiv auf das Coronavirus getestet wurde.
Die EZB selbst hatte am Mittwoch mitgeteilt, sie habe bis auf weiteres fast alle bei der Zentralbank geplanten Konferenzen verschoben oder gestrichen. Zudem erließ sie Reisebeschränkungen für ihre Direktoriumsmitglieder und die Mitarbeiter.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind inzwischen Coronavirus-Fälle in 79 Ländern gemeldet worden. Weltweit gibt es mittlerweile über 95.000 bestätigte Fälle - die meisten davon mit rund 80.500 in China, wo das Virus erstmals auftauchte.