Reuters

Wettlauf mit Risiken - Auf der Suche nach dem Corona-Impfstoff

17.03.2020
um 07:57 Uhr

- von Julie Steenhuysen und Patricia Weiss

Frankfurt (Reuters) - In der Corona-Krise nimmt das Ringen um die Hersteller von potenziellen Impfstoffen gegen das Virus zu.

Das Mainzer Biotechunternehmen BioNTech erhält bis zu 120 Millionen Euro vom chinesischen Arzneimittelhersteller Fosun Pharma, um die Entwicklung eines Impfstoffes voranzutreiben. Und der US-Regierung wird Interesse am Tübinger Rivalen CureVac nachgesagt, der ebenfalls auf diesem Gebiet forscht. Weltweit befinden sich Pharmaunternehmen und Forschungsinstitute in einem Wettlauf zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neuartige Coronavirus, denn die Zeit drängt: Rund 170.000 Menschen sind weltweit an dem Virus erkrankt, das bislang mehr als 6500 Todesopfer forderte. Doch bis ein Impfstoff auf den Markt kommt, kann es noch bis zu 18 Monate dauern, wie Wissenschaftler wiederholt gesagt haben.

Nach Angaben des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) sind inzwischen mindestens 39 Impfstoffprojekte angelaufen. Mehrere dieser Projekte werden von der internationalen Impfinitiative CEPI finanziell unterstützt, darunter auch die von CureVac, die der US-Konzerne Inovio, Moderna und Novavax sowie Projekte der australischen Universität von Queensland und der britischen Oxford Universität. Auch über Landesgrenzen hinweg wird zusammen geforscht, wie eine Kooperation zwischen dem chinesischen Impfstoff-Entwickler Clover Biopharmaceuticals und der britischen GlaxoSmithKline oder eine Allianz des französischen Pharmakonzerns Sanofi mit der staatlichen Organisation BARDA des US-Gesundheitsministeriums zeigen.

Noch im März will das US-Biotechunternehmen Moderna, das mit dem amerikanischen National Institutes of Health (NIH) zusammenarbeitet, seinen Impfstoff erstmals in klinischen Studien an 45 Menschen in Seattle erproben. BioNTech und Inovio haben erste klinische Studien für den April angekündigt, CureVac will bis Juli soweit sein.

RISIKEN BEI DER IMPFSTOFF-ENTWICKLUNG

Hinter den Kulissen befürchten Wissenschaftler und medizinische Experten allerdings, dass die Eile bei der Entwicklung eines Impfstoffes die Infektionen bei einigen Patienten eher verschlimmern als verhindern könnte. Denn Studien legen nahe, dass Coronavirus-Impfstoffe das Risiko bergen, dass der Impfstoff anstelle eines Infektionsschutzes die Krankheit verschlimmern kann, wenn sich eine geimpfte Person mit dem Virus infiziert. Der Mechanismus, der dieses Risiko verursacht, wurde noch nicht vollständig verstanden, ist aber einer der Stolpersteine, die die erfolgreiche Entwicklung eines Impfstoffs bislang verhindert haben.

Forscher würden normalerweise Monate aufwenden, um dieses Risiko vorher in Tierversuchen zu untersuchen. Angesichts der Dringlichkeit, die Ausbreitung des neuen Coronavirus einzudämmen, gehen einige Arzneimittelhersteller aber direkt zu kleinen Tests am Menschen über, ohne auf den Abschluss solcher Tierversuche zu warten. "Ich verstehe, wie wichtig es ist, die Fristen für Impfstoffe im Allgemeinen zu beschleunigen, aber nach allem, was ich weiß, ist dies nicht der Impfstoff, mit dem man dies tun sollte", sagte der Wissenschaftler Peter Hotez, Dekan des nationalen Instituts für Tropenmedizin beim Baylor College für Medizin. Hotez arbeitete Anfang der 2000er Jahre an einem Impfstoff gegen das mit dem Coronavirus verwandte Sars-Virus und stellte dabei fest, dass einige geimpfte Tiere im Vergleich zu nicht geimpften Tieren eine schwerere Erkrankung entwickelten, wenn sie dem Virus ausgesetzt waren. "Es besteht das Risiko einer Immunverstärkung", sagt Hotez. "Wenn Sie dieses Risiko reduzieren wollen, müssen sie zunächst zeigen, dass es nicht bei Tierversuchen auftritt."

Zumindest vorerst sind Experten aber zu dem Schluss gekommen, dass beschleunigte Tests ein Risiko sind, das es wert ist, einzugehen. Bei einem Sondertreffen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Februar war man sich einig, dass die Bedrohung so groß ist, dass Impfstoffentwickler schnell mit Versuchen am Menschen beginnen sollten, noch bevor die Tierversuche abgeschlossen sind, sagten vier Personen, die an dem Treffen teilnahmen, der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir wollen so schnell wie möglich einen Impfstoff bekommen", erklärte Marie-Paule Kieny, von der WHO, die das Treffen leitete. "Sie müssen das mit dem Risiko abwägen, das sie einer sehr kleinen Anzahl von Menschen auferlegen, und alles tun, um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten."

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