Reuters

Europas Anleger gehen vor dem Wochenende in Deckung

27.03.2020
um 12:12 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Nach den kräftigen Kursgewinnen der vergangenen Tage gehen Europas Anleger aus Furcht vor der Corona-Pandemie wieder in Deckung.

Der Dax gab am Freitag 2,2 Prozent nach auf 9779 Punkte, der EuroStoxx50 verlor 2,7 Prozent auf 2770 Zähler. "Mit der Flut an negativen Nachrichten ist es für viele Anleger schwierig, sich momentan auf Aktien zu stürzen", sagte Milan Cutkovic, Marktanalyst beim Brokerhaus AxiTrader. "Es bestehen jede Menge berechtigte Zweifel, dass es sich bei den starken Pluszeichen der vergangenen Tage schon um den Beginn einer nachhaltigen Erholung handelt."

Gestützt von den billionenschweren Konjunkturprogrammen weltweit steuert der Dax dennoch auf den stärksten Wochengewinn seit mehr als acht Jahren zu. Regierungen und Notenbanken drehen den Geldhahn auf und verabschieden in Rekordzeit Hilfspakete, um die wegen der Pandemie stillstehende Wirtschaft zu stützen, Firmenpleiten und Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Noch am Freitag soll das US-Repräsentantenhaus grünes Licht für ein mehr als zwei Billionen Dollar schweres Hilfspaket geben. Schon jetzt hinterlässt die Krise tiefe Spuren in der Wirtschaft: Allein in der vergangenen Woche meldeten sich in den USA mehr als drei Millionen Menschen arbeitslos, das sind so viele wie nie zuvor.

Inzwischen haben die USA China als das Land mit den meisten Corona-Infektionen abgelöst, besonders New York ist schwer von der Pandemie betroffen. In Deutschland stieg die Zahl der Infektionen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts um 5780 auf 42.288. 253 Menschen starben an der durch das Virus ausgelösten Lungenkrankheit. Damit die Erholung am Markt anhalte, seien positive Virusnachrichten unerlässlich, sagte Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck.

Am Anleihemarkt zogen sich Anleger aus italienischen Bonds zurück. Ihre Rendite stieg im Gegenzug um elf Basispunkte auf bis zu 1,357 Prozent. Die Europäische Union (EU) und die G20-Länderhaben zwar einen gemeinsamen Kampf gegen das Coronavirus vereinbart. Allerdings konnten sie sich auch nach sechsstündigen Verhandlungen nicht darauf einigen, mit welchen Finanzinstrumenten man schwer angeschlagenen Staaten unter die Arme greift. Italien ist stark von der Pandemie betroffen. Dazu kommt eine ohnehin hohe Verschuldung, die nach Berechnungen des Forschungsinstituts Prometeia bis Jahresende auf 150 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen dürfte.

Die Erholung des Goldpreises ist vorerst beendet. Das Edelmetall verbilligt sich um 0,6 Prozent auf 1618,50 Dollar je Feinunze. "Ich sehe keinen anderen Grund, derzeit Gold zu verkaufen, als vor dem Wochenende ein paar Gewinne mitzunehmen", sagt Stephen Innes, Chef-Anlagestratege vom Brokerhaus Axicorp. Der Goldmarkt hat derzeit mit Lieferengpässen zu kämpfen, weil wegen der Coronavirus-Pandemie Raffinerien stillstehen.

PROSIEBEN-CHEF GEHT

In der Hoffnung auf frischen Wind bei ProSiebenSat.1 stiegen Anleger wieder bei der TV-Senderkette ein. Die Aktien schossen um bis zu elf Prozent auf 7,50 Euro in die Höhe und waren damit Spitzenreiter im Nebenwerte-Index MDax. Nach monatelangen Querelen setzte das Unternehmen seinen Vorstandschef Max Conze vor die Tür. Gleichzeitig würden bei der Strategie neue Akzente gesetzt. Künftig solle wieder das Kerngeschäft mit Fernsehen und Unterhaltung im Mittelpunkt stehen, die Start-up-Beteiligungen würden nach und nach verkauft. "Conze ist es nicht gelungen, das Profil der Senderkette zu schärfen", sagte ein Börsianer. "Außerdem schürt der Führungswechsel Spekulationen, dass sich die Großaktionäre Mediaset und Daniel Kretinsky nun mehr Einfluss sichern." Mediaset-Papiere gewannen in Mailand zwei Prozent. Die Firma des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi will mit ProSieben einen europäischen Medienkonzern formen.