Reuters

Deutschland nimmt 123 Corona-Kranke aus Italien und Frankreich auf

27.03.2020
um 16:52 Uhr

Berlin (Reuters) - Deutschland erhöht seine Hilfen für andere von der Corona-Krise betroffene EU-Staaten deutlich - und geht damit jetzt auch in die mediale Offensive.

Bundesländer und Städte wollen insgesamt 123 Corona-Intensivpatienten aus Frankreich und Italien aufnehmen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Die Angebote der Bundesländer addierten sich mittlerweile auf 73 Plätze für Schwerkranke aus Italien. Aus Frankreich sollen 50 Patienten aufgenommen werden. Gleichzeitig wurden bereits 1700 EU-Bürger bei deutschen Rückholaktionen aus dem Ausland zurückgebracht. Zudem wurde medizinische Schutzausrüstung etwa nach Frankreich, Italien, Österreich und in die Schweiz geliefert. Nach Angaben von Europa-Staatsminister Michael Roth gingen aus Deutschland auch 60.000 Atemschutzmasken nach Schweden und 100.000 Masken nach Rumänien.

Die Bundesregierung und die Bundesländer reagieren damit auch auf die Kritik etwa aus Südeuropa, dass sich Deutschland in der Corona-Krise egoistisch verhalte. "EU-Solidarität ist das Gebot der Stunde", betonte Außenminister Heiko Maas in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" und verwies auf die tatsächlich geleistete deutsche Hilfe für besonders schwer betroffene EU-Staaten. "Letzte Woche gab es eine erste Teillieferung mit sieben Tonnen Hilfsgütern, darunter Beatmungs- und Narkosegeräte. Weitere werden folgen", fügte er hinzu. "Europa ist wieder einmal besser als sein Ruf", sagte auch Europa-Staatsminister Michael Roth zu Reuters.

MEHR ALS CHINA

Hintergrund der neuen Öffentlichkeits-Offensive ist auch, dass sich die G7-Außeminister und die EU-Regierungschefs in ihren Videokonferenzen in den vergangenen Tagen einig waren, dass man der demonstrativ groß inszenierten Hilfe Chinas, Russlands und Kubas für Staaten wie Italien etwas entgegen halten müsse. Die EU-Kommission betonte deshalb bereits am Donnerstag, dass Deutschland und Frankreich zusammen Italien mehr Schutzmasken geliefert hätten als China. In der Bundesregierung wird aber eingeräumt, dass man in einem Dilemma stecke. Vor allem das Gesundheitsministerium hat Sorge, dass eine zu demonstrative Hilfe für EU-Partner in Deutschland die Frage aufwerfe, warum es dann noch Engpässe bei medizinischer Schutzausrüstung im eigenen Land gebe. Das Auswärtige Amt, das stärker auch auf den Ruf Deutschlands in Europa und der Welt schaut, fordert dagegen wie die EU-Kommission mehr Kommunikation nach außen. Geleistete Hilfe dürfe nicht versteckt werden - zumal die Versorgung der Krankenhäuser und Praxen in Deutschland nun in Gang komme.

Deshalb haben sich die Bundesländer nun an einem Punkt engagiert, an dem Deutschland derzeit noch freie Kapazitäten hat: freie Betten auf Intensivstationen mit Beatmungsgeräten. Nach und nach erklärten sich fast alle Länder bereit, schwerkranke Patienten aus Frankreich und Italien mit ihren überlasteten Krankenhäusern zu versorgen. Zudem wird auf die Solidarität bei der Rückholung von EU-Bürgern verwiesen: So seien gerade aus einem von den Deutschen organisierten Flug aus El Salvador 179 Passagiere aus 18 Ländern transportiert worden, darunter 51 deutsche Staatsbürger, heißt es im Auswärtigen Amt. Es seien aber auch Franzosen, Italiener, Niederländer, Dänen, Tschechen, Österreicher, Belgier, Portugiesen, Finnen, Malteser, Polen, Rumänen, Schweden sowie Briten, Israelis und Schweizer an Bord gewesen.