Reuters

Kanzlerin - Bürger müssen bis 19. April zu Hause bleiben

01.04.2020
um 18:12 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Bund und Länder haben sich auf gemeinsame Ausgangsbeschränkungen in der Coronakrise bis zum 19. April geeinigt.

Kanzlerin Angela Merkel forderte die Bundesbürger nach einer Telefonschalte mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch nachdrücklich auf, auch am bevorstehenden Osterfest zu Hause zu bleiben und auf Verwandtenbesuche sowie Privatreisen zu verzichten. "Eine Pandemie orientiert sich nicht an Feiertagen", warnte sie. "Bleiben Sie weiter stark und halten Sie die Regeln ein." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder betonte, dass die Politik zwar keine Verschärfung der Maßnahmen wolle, aber auf einer Verlängerung der Kontaktsperren bestehen müsse. "Wir wollen keine voreilige Exit-Debatte", sagte er.

Bund und Länder verständigten sich in der Telefonschalte nach Auskunft von Teilnehmern, Restriktionen nur gemeinsam wieder aufzuheben. Zudem berieten Bundesregierung und Länderchefs, wie sich der dringend nötige Bedarf an medizinischer Schutzausrüstung decken lässt. Die Verteilung auf die Bundesländer werde dabei sehr einvernehmlich geregelt, sagte Merkel. Söder sprach von einem "Wild-West" auf den internationalen Märkten beim Einkauf von medizinischen Schutzgütern. Man brauche dringend mehr Zeit, um das Gesundheitssystem auf eine steigende Zahl an Corona-Erkrankten vorzubereiten.

Bayerns Ministerpräsident fügte mit Blick auf die in Österreich verhängte Maskenpflicht hinzu, dass sich die 16 Bundesländer verständigt hätten, diesen Weg nicht zu gehen. Es sei viel wichtiger, für eine ausreichende Anzahl an Schutzmasken in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zu sorgen.

ZAHL DER NEUINFIZIERTEN SINKT NUR LANGSAM

Die Telefonschalte von Bund und Ländern fand vor dem Hintergrund einer nur langsam sinkenden Zahl an Neuinfektionen statt. Bis Mitternacht legte die Zahl der bestätigten Infektionen in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts auf 67.366 zu. Insgesamt seien 732 Menschen infolge einer Ansteckung mit dem Coronavirus gestorben, teilte das RKI auf seiner Website mit. Im Vergleich zum Vortag wurden 5453 Neuinfektionen gemeldet. Die Zahl der Todesopfer stieg um 149. Nach den RKI-Zahlen ist die Dynamik der Ausbreitung damit leicht gebremst. Die Bundesregierung will diese Zahl von Neuinfektionen aber vor einer möglichen Lockerung der Ausgangsbeschränkungen deutlich senken.

Man hoffe, "um Ostern herum" ein Urteil fällen zu können, ob es gelungen sei, das Infektionstempo zu bremsen, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Das Ziel, dass sich die Infektionsfälle nur noch alle zehn Tage verdoppeln, sei dabei nur eine Richtschnur. Merkel sagte, dass man sogar einen Wert von bis zu 14 Tagen brauche. Denn es zeige sich, dass die durchschnittliche Behandlungsdauer von Corona-Patienten auf Intensivstationen länger als erwartet und mehr als zwei Wochen dauere. Das binde zusätzliche Kapazitäten.

Die amerikanische Johns-Hopkins-Universität, die eine andere Zählweise nutzt, verzeichnete am Mittwochnachmittag 73.217 Corona-Infizierte in Deutschland. 802 Menschen mit dem Coronavirus seien gestorben. 16.100 Infizierte seien wieder genesen. Den stärksten Anstieg an Infektionen nach den RKI-Zahlen hatte Bayern mit 1687 neu registrierten Fällen zu verzeichnen. In Bayern gibt es mit 225 auch die meisten Todesopfer und zusammen mit Hamburg die höchste Rate an Infektionen pro 100.000 Einwohner. Mittlerweile sind nach RKI-Zahlen in Deutschland rund 3800 Personen über 80 Jahre infiziert, die als besondere Risikogruppe gelten. Das Institut hatte deshalb schon am Dienstag die Erwartung geäußert, dass sich die Zahl der Toten auch in Deutschland stärker erhöhen werde.

DEBATTE ÜBER TRACING-APP

Als Voraussetzung für eine Lockerung der Regeln für das öffentliche Leben nach dem 20. April wird zudem der Einsatz einer digitalen App zur Nachverfolgung von möglichen Corona-Infektionen gesehen. Kanzleramtschef Helga Braun begrüßte die Initiative von 130 Wissenschaftlern aus acht europäischen Ländern, die am Mittwoch eine digitale Plattform für solche Apps vorstellten. Das Gesundheitsministerium betonte dagegen, dass dies nur eine von verschiedenen denkbaren Varianten sei. Mit den Ministerpräsidenten sei nicht über die Corona-Tracing-App gesprochen worden, sagte Merkel. Sie persönlich wäre aber bereit, eine solche App auf ihr Handy zu spielen, betonte die Kanzlerin.

Das Auswärtige Amt teilte unterdessen mit, dass es innerhalb von zwei Wochen zusammen mit Reiseveranstaltern die Rückholung von 187.000 vornehmlich im Ausland gestrandeten Deutschen organisiert habe. Unter den Rückkehrern seien auch 3000 Bürger aus anderen EU-Ländern, sagte die Sprecherin des Außenministeriums.