Reuters

Kritik an Milliarden-Staatshilfen - Experten verteidigen Adidas

22.04.2020
um 16:57 Uhr

Berlin/München (Reuters) - Die milliardenschweren Staatshilfen an große Unternehmen wecken in der Politik die Angst vor einem zu leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern.

"Es ist gut, dass der Staat sehr schnell und unbürokratisch hilft. Trotzdem ist es immer noch das Geld von jetzigen und künftigen Steuerzahlern", sagte der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung (MIT), Carsten Linnemann, der Nachrichtenagentur Reuters. "Deshalb müssen wir stark darauf achten, dass es keinen Missbrauch gibt." CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach warf Unternehmen vor, die Staatskredite als günstige Gelegenheit zur Umschuldung zu nutzen. Für Erstaunen hatte vor allem der Sportartikelriese Adidas gesorgt, der sich mit dem Verweis auf weltweit geschlossene Sportgeschäfte einen Drei-Milliarden-Euro-Kredit mit KfW-Garantie besorgt hatte.

Politiker und Experten verteidigten aber das Vorgehen des Unternehmens aus Herzogenaurach. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte zu Reuters, es sei zwar "bezeichnend, dass etliche große börsennotierte Unternehmen bei den staatlichen Hilfen sehr schnell zugegriffen haben". Adidas habe aber durch die Eingriffe des Staates - Ladenschließungen zum Gesundheitsschutz - große wirtschaftliche Nachteile erlitten. "Deshalb ist es für die FDP akzeptabel, wenn es nun eine attraktive staatliche Hilfe als Ausgleich nutzt." Der Staat müsse aber rasch Auswege aus den großen Hilfsprogrammen aufzeigen.

"MISSBRAUCH AUSGESCHLOSSEN"

Der Deutschland-Chef der Unternehmensberatung PwC, Ulrich Störk, schloss Missbrauch bei den teils milliardenschweren Konsortialkrediten der KfW aus, bei denen auch Banken mit eigenem Risiko im Boot sind. "Bei den großen Krediten ist sehr viel Sachexpertise dabei. Es geht nicht um automatisierte Auszahlungen, sondern um Auszahlungen im Einzelfall. Da wird eine sehr detaillierte Prüfung vorgenommen." Ralf Moldenhauer, Restrukturierungsexperte von Boston Consulting (BCG), sagte am Mittwoch, oft seien die Banken dafür verantwortlich, dass die Unternehmen sich so viel Geld besorgten. Sie verlangten bei der Vergabe von Krediten, dass die Firmen sich für einen "Lockdown" bis Ende Juni wappneten. "Das treibt ein bisschen die Volumina. Aber den meisten Unternehmen wird geholfen."

Rechtsanwalt Frank Grell von der Wirtschaftskanzlei Latham & Watkins sagte, die Modebranche sei von der Coronakrise besonders betroffen, weil die entgangenen Umsätze nicht mehr wettgemacht werden könnten. "Wenn die Sommerware jetzt nicht verkauft wird, hilft es nichts, wenn die Geschäfte im Herbst wieder aufmachen." Die in den Regalen liegengebliebene Ware lasse sich dann nur mit großen Rabatten verkaufen. Adidas sind seit Beginn der Krise - zunächst in China und zurzeit fast weltweit - Umsätze von rund zwei Milliarden Euro weggebrochen.

PwC-Chef Störk räumte ein, er habe Fälle wie Adidas "nicht so auf dem Radar gehabt". Das Unternehmen habe nie ein Problem gehabt, sich zu refinanzieren und Anleihen zu begeben. "Es hat sich jetzt aber entschieden, sich mit KfW-Krediten zu versorgen, um nach vorne hin noch stabiler zu sein." Adidas hatte Ende des Jahres knapp 900 Millionen Euro Liquidität auf der hohen Kante, weil der Konzern den Gewinn stets über Dividenden und den Kauf eigener Aktien an die Aktionäre ausgeschüttet hatte.

Für den Staatskredit muss Adidas die Dividende streichen, so lange das Darlehen läuft, also längstens bis Mitte 2021. Große Adidas-Investoren können damit leben. "Der Dividendenverzicht kann Adidas dabei helfen, nach der akuten Corona-Krise wieder hohe Gewinne für die Aktionäre zu erwirtschaften", sagte Henrik Pontzen von der Fondsgesellschaft Union Investment. Ingo Speich vom Sparkassen-Wertpapierhaus Deka hat Verständnis für den Griff nach dem Geld vom Staat: "Leichtfertig macht das niemand. Der Dividendenverzicht tut ja auch weh." Einen Makel sieht er darin nicht. Wenn der Staat das Geld bereitstelle und ein Unternehmen die Vorgaben erfülle, spreche nichts dagegen, das zu nutzen. "Sonst liefe ein Vorstand auch Gefahr, von seinen Aktionären zur Rechenschaft gezogen zu werden, wenn er es nicht tut", sagte er zur Reuters.

ADIDAS AG NA O.N.

WKN A1EWWW ISIN DE000A1EWWW0