Reuters

Deutsche-Bank-Chef setzt die Axt an - Job-Kahlschlag

29.10.2015
um 14:36 Uhr

- von Kathrin Jones und Alexander Hübner und Andreas Kröner

Frankfurt (Reuters) - John Cryan greift durch: Die Deutsche Bank steht unter ihrem neuen Chef vor dem zweitgrößten Jobabbau ihrer Geschichte.

Um fast ein Drittel wird die noch rund 100.000 Köpfe zählende Belegschaft schrumpfen, wenn in den nächsten Jahren Cryans neue "Strategie 2020" umgesetzt wird. Allein im Konzern fallen netto 9000 Stellen weg, knapp die Hälfte davon in Deutschland. Weitere 6000 Jobs werden bei externen Dienstleistern gestrichen. Zudem will sich die Bank von Beteiligungen mit 20.000 Mitarbeitern trennen. Dazu zählt auch die Tochter Postbank, die 2016 an die Börse gebracht werden soll. Cryan, der am Donnerstag seinen ersten öffentlichen Auftritt in Frankfurt hatte, gab sich nüchtern, betonte aber auch: "Mir ist sehr bewusst, dass dies 9000 Schicksale sind, hinten denen Menschen und Familien stehen."

In den nächsten Jahren steht für Deutschlands größtes Geldhaus Sparen ganz oben auf der Agenda. Die ehrgeizigen Pläne seines Vorgängers Anshu Jain, der die Deutsche Bank vor allem im Investmentbanking in der Weltspitze gesehen hat, hat Cryan erst einmal begraben. Es gehe nun darum, nachhaltig Gewinn zu erwirtschaften und das ramponierte Verhältnis zu den Aufsehern zu reparieren, betonte der Brite, der seit Juli am Ruder ist. "Die Deutsche Bank hat kein Strategieproblem. Wir wissen sehr genau, wohin wir wollen." Es hapere an der Umsetzung. "In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind zahlreiche Strategien und Ziele verkündet worden, aber selten wurden sie konsequent realisiert", ging er mit seinen Vorgängern ins Gericht.

Im Konzern selbst verlieren insgesamt sogar 14.000 Menschen ihren Job. Auf die Netto-Zahl von 9000 kommt die Bank nur, weil zugleich 5000 Neueinstellungen geplant sind. Noch größere Einschnitte gab es nur Anfang des neuen Jahrtausends im Zuge der Übernahme der New Yorker Investmentbank Bankers Trust, wenn auch über mehrere Jahre verteilt. Cryan bittet jetzt aber auch alle anderen zur Kasse: Der Bonus-Pool der hochbezahlten Investmentbanker und Manager wird wegen des absehbaren Jahresverlustes - verursacht durch Aufräumarbeiten in der Bilanz - zusammengestrichen. Die Aktionäre bekommen für 2015 und 2016 keine Dividende, das gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

An der Börse sorgte das für Frust: Die Deutsche-Bank-Aktie fiel in der Spitze um knapp sieben Prozent und war Schlusslicht im Dax Zwei Jahre Sanierung seien eine lange Zeit, sagte ein Händler. "Die Anleger fragen sich, warum sie bei der Stange bleiben sollen. Es fehlt einfach der Lohn für das Durchhaltevermögen." Für Portfoliomanager Helmut Hipper von der Fondsgesellschaft Union Investment, einem der Top-20-Aktionäre, ist die große Frage, wo angesichts der Schrumpfkur überhaupt noch Ertragssteigerungen möglich sind. "Darauf gibt es noch keine Antwort, daher die Skepsis am Kapitalmarkt."

NEUE BESCHEIDENHEIT

Cryan sagte, die Deutsche Bank müsse "einfacher und effizienter" werden. Der Stellenabbau, der Rückzug aus zehn Ländern und der Abbau von Altlasten soll die Kosten um 3,8 Milliarden Euro drücken. Dafür muss das Institut zunächst aber bis zu 3,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen, etwa in Form von Abfindungen. Gehen müssen unter anderem Mitarbeiter in den 200 vor der Schließung stehenden "blauen" Filialen in Deutschland, aber auch Beschäftigte bei IT-Firmen, die die Deutsche Bank angeheuert hatte. "Wir erwarten, dass für die Dauer des Umbaus betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden", erklärte Verdi-Chef Frank Bsirske. Der Gewerkschaftsboss sitzt im Aufsichtsrat der Bank und hat die Pläne mit abgenickt. Das Filialgeschäft im europäischen Ausland will Cryan zwar behalten, aber ausdünnen.

Im Investmentbanking will sich das Geldhaus von der Hälfte der Kunden trennen. In Russland wird das Kapitalmarktgeschäft nach einem mutmaßlichen Geldwäsche-Skandal komplett aufgegeben. Für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten sind nach wie vor fast fünf Milliarden Euro reserviert - im dritten Quartal kam nochmal eine gute Milliarde dazu, unter anderem für Russland. Mit anderen Worten: Das mühsam verdiente Geld wird immer wieder von Altlasten aufgefressen. Im Sommer stand auch wegen herber Abschreibungen ein Rekordverlust von sechs Milliarden Euro zu Buche, wie schon länger bekannt ist. "Ein absolut enttäuschendes Ergebnis", sagte Cryan. Die US-Banken sind längst davongezogen. Selbst Santander, lange Zeit gebeutelt von der schwachen Wirtschaft auf dem Heimatmarkt Spanien, kommt wieder in die Spur: Das größte Geldhaus der Euro-Zone steigerte den Gewinn im dritten Quartal um fünf Prozent auf 1,7 Milliarden Euro.

Bei der Deutschen Bank sollen parallel zum Zurückfahren der Geschäfte auch die Risiken in der Bilanz um ein Viertel zurückgehen, die viel Eigenkapital kosten. Jain hatte sich hier keine so starken Einschnitte zugetraut. Aber Cryan will eine erneute Kapitalerhöhung, anders als die Schweizer Credit Suisse, vermeiden und das Kapitalpolster trotzdem auf 12,5 Prozent hochschrauben - "damit wir nicht mehr den Erwartungen von Regulatoren und Märkten hinterherlaufen." Bislang liegt die harte Kernkapitalquote bei 11,5 Prozent. An Jains Ziel einer Eigenkapitalrendite von mindestens zehn Prozent nach Steuern hält Cryan fest - 2018 soll es erreicht sein.

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