Reuters

Corona-Pandemie kostet Allianz mehr als eine Milliarde

12.05.2020
um 13:37 Uhr

- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Die weltweit grassierende Corona-Pandemie kostet Europas größten Versicherer Allianz in diesem Jahr aller Voraussicht nach eine Milliardensumme.

Vor allem in der Schaden- und Unfall-Sparte trifft die Krise den Münchner Konzern, wie Finanzvorstand Giulio Terzariol am Dienstag deutlich machte. Allein die Schäden durch den Ausfall großer Veranstaltungen, geschlossene Fabriken, Zahlungsausfälle von Lieferanten und abgesagte Reisen dürften sich auf bis zu 1,1 Milliarden Euro summieren und den Gewinn im Konzern um zehn Prozent drücken. Die Lebensversicherung und die Vermögensverwaltung seien überwiegend durch den Abschwung an den Kapitalmärkten betroffen. "Aber das kann sich alles schon in einer Woche ändern", sagte der Italiener.

In den ersten drei Monaten haben die Folgen der Corona-Krise den operativen Gewinn der Allianz um rund 700 Millionen auf 2,3 Milliarden Euro gedrückt. Wegen der zu erwartenden Verluste und der Unsicherheit hatte sie bereits ihre Prognose eines operativen Gewinns von 11,5 bis 12,5 (2019: 11,9) Milliarden Euro zurückgenommen. Das Ergebnis dürfte damit zum ersten Mal seit 2011 schrumpfen. Der Versicherer traut sich auch keine neue Prognose zu, so lange die Folgen des Virus-Ausbruchs nicht besser abschätzbar sind. Berenberg-Analyst Michael Huttner hält einen operativen Gewinn von 10,3 Milliarden Euro für erreichbar.

Die Corona-Krise hat auch in den Kapitalanlagen tiefe Spuren hinterlassen. Die Solvenzquote sank innerhalb von drei Monaten auf 190 (Ende Dezember: 212) Prozent, stärker als von vielen Analysten erwartet. Die Quote, der Maßstab für die Kapitalpuffer in der Bilanz, könne in den nächsten Monaten auch unter die interne Mindestschwelle von 180 Prozent fallen, räumte Terzariol ein. Das drückte die Allianz-Aktie um drei Prozent.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) macht sich um die Widerstandskraft der Versicherer keine allzu großen Sorgen. "Die Krise setzt den Unternehmen in der Kapitalanlage zusätzlich zu, existenzbedrohend ist die Situation aber aus heutiger Sicht nicht", sagte BaFin-Chef Felix Hufeld. Das könne sie nur werden, falls die Bewertungen an den Märkten über längere Zeit im Keller blieben. Die Allianz habe Aktien für fünf Milliarden Euro verkauft, um nicht in den Abwärtsstrudel gezogen zu werden, sagte Terzariol.

BAFIN FORDERT KULANZ BEI UNKLAREN VERTRÄGEN

Heftig umstritten ist in der Krise, ob Versicherer für Produktionsausfälle und geschlossene Restaurants zahlen müssen. Sie sind eine Folge der behördlich verfügten Schließungen, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Die Branche steht auf dem Standpunkt, dass ein solches Szenario in den meisten Policen ausgeschlossen ist und sie daher nicht einstehen muss. "Es wäre naiv zu denken, dass Versicherer eine Pandemie abdecken können", sagte Terzariol. Das würde sie überfordern. Sie bräuchten Hilfe der Regierungen, um ein solches Risiko zu tragen.

BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund springt den Versicherern bei: Dass die Betriebsschließungs-Policen nicht für den Schutz vor einer Pandemie konzipiert seien, lasse sich eigentlich schon an den Tarifen ablesen. Allerdings seien viele Verträge unklar formuliert. Grund sprach sich deshalb für Kulanzlösungen aus, um teure Verfahren zu vermeiden und die Kunden nicht zu verprellen. In Bayern hatten sich einige Versicherer um die Allianz mit dem Hotel- und Gaststättenverband geeinigt; einigen Gastronomen reicht das aber nicht.

Die Allianz hat schon 200 Millionen Euro für den Stillstand von Betrieben gezahlt. 400 Millionen dürften am Ende des Jahres für den Ausfall von Veranstaltungen zu Buche stehen. Das trifft vor allem die Großkunden-Tochter AGCS, die damit wieder tief in die Verlustzone rutscht. Der profitable Kreditversicherer Euler Hermes rechnet 2020 nur noch mit einem kleinen Gewinn. Weniger Autounfälle während der Ausgangsbeschränkungen ersparten der Allianz dagegen 100 Millionen Euro. Insgesamt verschlechterte sich die Schaden-Kosten-Quote im ersten Quartal auf 97,8 (93,7) Prozent.

300 Millionen Euro aus Kapitalanlagen fehlen der Allianz im Leben- und Kranken-Geschäft. Eine höhere Sterblichkeit infolge der Pandemie spiele dabei keine Rolle, betonte der Finanzchef. Er ist skeptisch, ob sich der Rückstand bis zum Ende des Jahres aufholen lässt. Auch bei seinen Vermögensverwaltern Pimco und AllianzGI bläst dem Konzern der Wind ins Gesicht. Kunden zogen ab März 46 Milliarden Euro aus den Fonds ab. Im ersten Quartal verdiente die Asset-Management-Sparte durch Provisionen noch 19 Prozent mehr, am Ende des Jahres werde sie aber "ein bisschen, nicht viel" unter den Planungen landen, sagte Terzariol.

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Nürnberger Beteiligungs-AG Chart
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