Reuters

Wirtschaft drängt beim europäischen Cloud-Projekt Gaia-X aufs Tempo

04.06.2020
um 15:32 Uhr

- von Nadine Schimroszik und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die Wirtschaft drängt beim europäischen Cloud-Projekt Gaia-X aufs Tempo.

"Ziel muss es sein, zügig erste Pilotanwendungen anzubieten", sagte Iris Plöger vom Industrieverband BDI. "Das Interesse in der Wirtschaft ist da - jetzt gilt es Fahrt aufzunehmen", ergänzte der Präsident des IT-Verbandes Bitkom, Achim Berg. Wirtschaftsminister Peter Altmaier und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire gaben am Donnerstag den offiziellen Startschuss. Anfang 2021 soll Gaia-X operativ am Markt sein und europäischen Firmen eine Alternative zu amerikanischen oder chinesischen Anbietern geben.

Der Cloud-Markt - also Speicher-, Software- und Rechendienstleistungen über das Internet - wird dominiert von Amazon, Microsoft und Google. Hier werden seit Jahren hohe Wachstumsraten erzielt. "Gaia-X kommt viel zu spät", sagte Analyst Rene Buest vom Marktforscher Gartner. In der Vergangenheit sei bereits ein ähnlicher Versuch in Europa gescheitert. "Der Grund hierfür war die nicht vorhandene Nachfrage von der Anwenderseite." Der Chef der IT-Beratungsfirma Atos, Elie Girard, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir haben den Kampf um die Daten der Verbraucher verloren. Die nächste Welle, die vor und nicht hinter uns liegt, sind die Unternehmensdaten." Hier setze Gaia-X an. Laut Bitkom muss Gaia-X aber einen Mehrwert schaffen - etwa die Datensouveränität.

Altmaier argumentiere ähnlich: Konsumenten und Unternehmen sollten eine echte Wahl bekommen, eine Alternative zu den US-Platzhirschen. Daten sollen dann künftig auf Servern in Europa liegen und leichter mitgenommen werden, wenn Kunden beispielsweise von einem Internet-Netzwerk zu einem anderen wechseln wollen. "Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung", sagte Le Maire.

Viele US-Unternehmen nutzen Daten schon länger und viel stärker - sie sind zu einer riesigen Einnahmequelle geworden, etwa über passgenaue Werbung. "Wir müssen unsere Daten viel ernster nehmen. Ansonsten vergrößert sich der Wettbewerbsnachteil", sagte Johannes Koch, Deutschlandchef von Hewlett Packard Enterprise zu Reuters. Deutsche Mittelständler müssten in der Lage sein, ihre Daten selbst zu nutzen und zu monetarisieren.

Gaia-X basiert auf einer deutsch-französischen Initiative. In den nächsten Wochen soll eine Gründungsorganisation in Brüssel ins Leben gerufen werden. Dazu sollen 22 Unternehmen - jeweils zur Hälfte aus Deutschland und Frankreich - eine Absichtserklärung unterzeichnen. Rund 300 Unternehmen und Organisationen aus Wissenschaft und Wirtschaft eingebunden. Als treibende Kräfte gelten SAP, Deutsche Telekom, Siemens, Bosch und Atos. 20 Arbeitsgruppen feilen an konkreten Anwendungen, unter anderem in den Bereichen Industrie, Gesundheitswesen, Finanzen und Energie. Es wird erwartet, dass Staaten am Anfang große Auftraggeber sein werden, um das Projekt in Schwung zu bringen. BDI-Expertin Plöger sagte, Gaia-X müsse so schnell wie möglich ein gesamteuropäisches Projekt werden.

Amazon.com Inc.

WKN 906866 ISIN US0231351067

Deutsche Telekom AG

WKN 555750 ISIN DE0005557508

Microsoft Corp.

WKN 870747 ISIN US5949181045

SAP SE

WKN 716460 ISIN DE0007164600

Siemens AG

WKN 723610 ISIN DE0007236101