Reuters

Volkswagen verpasst kriselnder Lkw-Sparte neue Führungsspitze

08.07.2020
um 14:52 Uhr

- von Jörn Poltz

München (Reuters) - Volkswagen wechselt mitten im Umbau seiner krisengeschüttelten Nutzfahrzeugtochter Traton die verantwortlichen Topmanager aus.

Spartenchef Andreas Renschler, der mit einem harten Sparkurs die rivalisierenden Schwestermarken MAN und Scania zusammenführen sollte, und MAN-Chef Joachim Drees, der bei MAN tausende Stellen abbauen sollte, verlassen überraschend den Konzern. Es habe Konflikte in der Führungsetage gegeben, sagte eine mit der Situation vertraute Person. Ein anderer Insider sprach von "Verstimmungen". Traton sprach lediglich von einer einvernehmlichen Trennung und äußerte sich nicht zu den Gründen. Die Traton-Aktie war am Mittwoch mit einem Minus von 2,2 Prozent einer der größten Verlierer im Kleinwerteindex SDax.

Mit Renschlers Abschied, den Volkswagen und Traton am Dienstagabend für die kommende Woche ankündigten, stärkt der Autokonzern sein mächtiges Arbeitnehmerlager. Im Volkswagen-Konzernvorstand übernimmt Personalchef Gunnar Kilian zusätzlich Renschlers Aufgaben im Nutzfahrzeuggeschäft. Der frühere Generalsekretär des Konzernbetriebsrats ist ein enger Vertrauter von Betriebsratschef Bernd Osterloh und gilt als gut verdrahtet im Konzern. Kilian war zeitweilig auch Mitarbeiter des früheren Firmenpatriarchen Ferdinand Piech.

Das Nutzfahrzeuggeschäft in die Spur bringen soll nun der frühere Finanzchef des Traton-Vorläuferunternehmens Volkswagen Truck & Bus: Matthias Gründler übernimmt Renschlers Chefposten bei der Münchner Traton-Holding. Dafür holt Volkswagen den 54-Jährigen, der 2018 überraschend gegangen war, zurück in den Konzern. Den konfliktträchtigen Stellenabbau, wegen dessen sich der Traton-Betriebsrat mit Renschler überworfen hatte, soll nun der VW-Manager Andreas Tostmann umsetzen. Der bisherige Produktionsvorstand der Pkw-Kernmarke wird neuer MAN-Chef.

Belegschaftsvertreter richten große Hoffnungen auf Gründler. "Er ist einer, der gut zusammenführen kann", sagte eine Person aus Arbeitnehmerkreisen zu Reuters. Traton-Betriebsratschef Saki Stimoniaris, der im Traton-Aufsichtsrat auch Stellvertreter des Vorsitzenden Hans Dieter Pötsch ist, begrüßte den Antritt von Gründler und Tostmann: "Sie können sicher sein, dass Belegschaft und Mitbestimmung alles tun werden, um mit unseren exzellenten Produkten die anstehenden Herausforderungen zu meistern."

Nach Angaben aus Branchenkreisen stehen bei MAN bis zu 6000 der 36.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Der deutsche Hersteller war schon seit längerem weniger profitabel als seine skandinavische Schwester Scania. Nach dem Börsengang, den Renschler auf Geheiß von Volkswagen vor einem Jahr über die Bühne brachte, wurde die Integration des verschachtelten Konzerns nicht einfacher. Mittlerweile kämpft Traton an mehreren Fronten: Während Investitionen in Digitalisierung und Elektrofahrzeuge viel Geld verschlingen, beschleunigte die Coronakrise mit Investitionsstopps der Firmenkunden und Produktionsstopps der Fabriken die Talfahrt des Nutzfahrzeuggeschäfts.

Zugleich steckt Traton mitten in der Übernahme des US-Lkw-Bauers Navistar, mit der der Volkswagen-Konzern in seinem schwachen Nordamerikageschäft Rivalen wie Daimler Paroli bieten will. Die Gespräche kamen in der Coronakrise wegen der Reisebeschränkungen ins Stocken, hatte Traton-Finanzchef Christian Schulz im Mai gesagt. Das Thema bleibe jedoch "strategisch wichtig", bekräftigte Schulz, der bei Traton mit unveränderten Aufgaben an Bord bleibt. Eine Einbeziehung von Navistar in eine Lkw-Modulstrategie nach dem Vorbild des Pkw-Geschäfts beinhalte zusätzliches Potenzial, erklärte der Branchenexperte Frank Schwope von der NordLB.

MAN SE

WKN 593700 ISIN DE0005937007

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039