Reuters

ZEW-Experten machen gravierende Mängel in geplantem EU-Aufbaufonds aus

15.07.2020
um 13:22 Uhr

Berlin (Reuters) - Die Pläne der EU-Kommission zur Bewältigung der Coronakrise in den europäischen Volkswirtschaften sind einer Studie zufolge unzureichend.

Eine Erhebung des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW im Auftrag des arbeitgeberfinanzierten Lobbyverbandes Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) kommt zu dem Ergebnis, dass das Wiederaufbauprogramm beim bevorstehenden EU-Gipfel erheblich nachgebessert werden müsse. "Sonst fließt das meiste Geld erst, wenn Corona schon lange vorbei ist", kritisierte ZEW-Forschungsbereichsleiter Friedrich Heinemann am Mittwoch.

Drei Viertel aller Gelder würden nach den aktuellen Regeln erst nach 2022 fließen, konstatieren die Autoren. Damit würden die konjunkturstützenden Effekte erst dann kommen, wenn der Aufschwung ohnehin zu erwarten sei. Außerdem bemängeln die Experten die Verwendungsauflagen als wenig verbindlich. "Der Wiederaufbauplan belohnt Länder mit hoher Arbeitslosigkeit vor der Krise, die ihre Arbeitsmärkte nie ernsthaft reformiert haben", führte Heinemann aus. "Gleichzeitig finanziert er diesen Reformstau weiter, weil die Auflagen viel zu weich sind und keine scharfe Überwachung geplant ist."

Außerdem werde mit dem Wiederaufbauplan keine gezielte Krisenbewältigung erreicht, ergänzte Heinemann. Die Gelder würden nach Pro-Kopf-Einkommen und Arbeitslosigkeit vor der Corona-Pandemie verteilt. "Die Kommission möchte das 750-Milliarden-Euro-Budget nach einer Formel auf die Mitgliedstaaten verteilen, die stabilisierungspolitisch wenig Sinn ergibt", urteilte er. "Ein Land wie Polen kann nahezu mit dem Dreifachen seines Wachstumsverlusts aus den EU-Kassen rechnen, Irland geht mit gerade einmal zehn Prozent seines Corona-Schadens fast leer aus."

Positiv werden dagegen die im Kommissionsplan hervorgehobenen Ausgabenschwerpunkte Klimapolitik und Digitalisierung gewertet. Diese versprechen nach Auffassung der Autoren echten europäischen Mehrwert. Unterm Strich zieht Heinemann allerdings das Fazit, "dass bei der Abfassung des Wiederaufbauplans sehr viel politische Strategie im Spiel war und die ökonomische Vernunft verdrängt hat". Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs wollen auf ihrem Gipfel ab Freitag versuchen, eine Einigung über die EU-Finanzen bis 2027 und den Aufbaufonds zu finden.